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Benutzer:Nippeser

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Autor des Wikibooks: Zur Psychologie des Heimwehs oder Die Sehnsucht nach Geborgenheit, Diplomarbeit an der Universität Köln,1994--Nippeser 13:03, 19. Apr. 2007 (CEST)



SCHOTT UND MUMMERT, 1993: Hausarbeit zum Thema: Zur Psychologie der Sehnsucht 2. Teil (Die Klammern beziehen sich auf Zitate aus den qualitativen Interviews) welche dem Autor vorliegen. Die Verarbeitung von Sehnsucht

Bei der Verarbeitung von Sehnsucht ist auch die Trennung in Vergangenheit und Zukunft zu berücksichtigen. Sehnsucht, die in die Zukunft gerichtet ist, wird, da sie meist als positiv empfunden wird, auch positiv ausgelebt:" Sehnsucht...nach einem Menschen oder einem Land, das sind ja alles Wünsche", "(Gefühl), was unbedingt befriedigt werden muss." Auch werden mit diesen Sehnsüchten Träume beschrieben nach einem Beruf oder nach einem Leben "auf einer einsamen Insel." Sie wird sogar als Motivation gewertet, um bestimmte unangenehme Situationen zu überbrücken:"Das sind Sachen, an denen man sich hochziehen kann."(S.10) Das Gefühl der Sehnsucht, solange an ihrem Ende ihre Erfüllung steht, wird auch als angenehm empfunden. Ist dieser aber auf absehbare Zeit nicht erreichbar, das Gefühl aber so stark, dass es weh tut, dann setzen Abwehrmechanismen ein: "... dann ist das abgehakt. Nicht verdrängt, sondern ... bewusst ... gestrichen." (S.9) Ob dieses verarbeitet oder verdrängt ist bleibt offen:"... wenn es verdrängt wäre, dann würde immer noch etwas schlummern."(S. 9) An einer anderen Stelle wird dieser Vorgang anders beschrieben: "... verdrängen, indem man sich ablenkt."(S.6) Die Sehnsucht, bei der der Betroffene sich nach etwas sehnt, was sich in der Vergangenheit zugetragen hat, oder nach einem Zustand, den er als angenehmer empfand, als den, in dem er sich heute befindet, wird meist als negativ, als schmerzlich empfunden, z.B.. in der Trauerarbeit. Sie blockiert häufig die alltäglichen Aktivitäten:" Es blockiert, wenn ich mich z.B. auf Schularbeiten konzentrieren müsste und ... ich habe dieses schmerzliche Gefühl von Sehnsucht."(S.5) "Das geht so weit, dass man einfach arbeitsunfähig ist,..."(S.10) Aber auch ein gegenteiliges Verhalten ist zu beobachten: Die Betroffenen steigern sich in Aktivitäten, um sich von der Sehnsucht abzulenken. Dieses gibt das folgende Zitat wieder: "... dann beschäftige ich mich besonders viel..." (S.7) Interessant ist auch das Verhalten, dass der Betroffene sich der Sehnsucht hingibt:" (Sie) so laufen (lässt), wie sie ist. Vielleicht ... ein bisschen verstärken, ... danach ist es vielleicht ... wieder gut."(S.5) "Wenn ich nach einem anderen Menschen Sehnsucht habe,... dann ruf ich ihn vielleicht mal an ... ich mindere dann die Sehnsucht..., aber ich versuche, dann noch eine Lösung zu finden."(S.10) Das Gespräch ist bei der Verarbeitung der schmerzlichen Sehnsucht ein wichtiges Mittel: "Wenn ich lange genug darüber nachgedacht und darüber geredet habe, dann kann ich dem Ganzen auch ein Ende setzen." Es bleibt allerdings die Frage offen, ob die Betroffenen bereit sind über ihre Sehnsucht zu sprechen, ob es also anerkannt ist, diese zu empfinden. Über den Sinn von Sehnsucht: Vor allem "negative" Sehnsüchte scheinen uns keinen Sinn zu machen: sie sind quälend und hindern uns im Alltag. Warum aber spricht ein Befragter explizit davon, dass es "Blödsinn" wäre, in Situationen, in denen einen klaren Kopf behalten soll, in eine Sehnsucht zu "verfallen."(S.7) Ist es möglich, dass der Mensch sich seine Sehnsüchte, insbesondere die als negativ empfundenen, sich manchmal zum Mittel macht, um die von ihm erwartete Leistung nicht zu erbringen.





Erklärungsansatz nach Freud: Im fünften Kapitel seiner Abhandlung "Jenseits des Lustprinzips" (1920) beschreibt Freud in seiner Triebtheorie, daß die Triebe eher konservativer Natur sind. D.h., daß sie nicht den bestehenden Zustand nicht nur erhalten wollen, sondern auch tendenziell zur Rückkehr in einen früheren Zustand führen: " Ein Trieb wäre also ein dem belebten Organischen innewohnender Drang zu Wiederherstellung eines früheren Zustandes..."(Fischer Taschenbuch 6394, S.146) Im dritten Kapitel seines Aufsatzes "Das Unbewußte" (1915) erklärt Freud den Zusammenhang zwischen Trieb und Affekten, wie Gefühle und Empfindungen. Die Triebe sind, seiner Meinung nach, nie "Objekte des Bewußtsein"(S.82), sondern sie können nur in der Vorstellung bestehen. Sie treten aber durch Affekte zum Vorschein. Wenn wir uns nun die direkte Relation zwischen Trieben und Gefühlen vor Augen führen, so ergibt sich doch der Gedanke, daß nicht nur die Triebe als konservativ gelten, sondern auch die aus ihnen resultierenden Gefühle einen eher erhaltenden Charakter haben. Deutlich wird dieses, unserer Meinung nach, bei dem Gefühl der Sehnsucht, die an dem Erlebten, dem Vergangenen haftet. Die Betroffenen empfinden den Zustand, in dem sie sich jetzt befinden, als schwieriger als den, nach dem sie sich sehnen: "... Wenn ich jetzt nicht mehr hier ... säße, ich wäre jetzt ..."(S.5)

Erklärungsansatz nach Hegel: Einen abstrakteren, aber nicht weniger interessanten Ansatz finden wir bei Hegel in seiner "Phänomenologie des Geistes"(1807). Hegel spricht im vierten Kapitel von einem unglücklichen Bewusstsein:"Dieses unglückliche,in sich entzweite Bewusstsein muss also, weil dieser Widerspruch seines Wesens sich ein Bewusstsein ist, in dem einen Bewusstsein immer auch das andere haben, und so aus jedem unmittelbar, indem es zum Siege und zur Ruhe der Einheit gekommen zu sein meint, wieder daraus ausgetrieben werden."(Reklam Universal-Bibliothek Nr.8460, 1987; S.157) Er meint damit das ewige Streben nach dem "unwandelbarem Wesen"(S.158), dem letztlich Wahren und Gewissen. In unserer, vom christlichen Glauben beeinflussten Kultur, liegt dieses in der Sehnsucht nach dem Paradies, welches aber nur durch den Verlust des irdischen Lebens erreicht werden kann. Diese Erkenntnis, deren Symbol die Kreuzigung Christi ist, macht dieses Bewusstsein unglücklich.

Sehnsucht und Trauer

Einen wichtigen Anstoß in unserer Arbeit ergab sich durch die Idee einer der Befragten, die Sehnsucht mit der Trauer in Verbindung zu bringen.(S.10) Trauer ist ihrer Meinung nach eine Art der Sehnsucht, vielleicht die Stärkste. Mit diesem Gefühl realisiert der Mensch, dass er jemanden unwiderruflich verloren hat. Dieser Aspekt der Sehnsucht in der Trauerarbeit wurde schon 1961 von John Bowlby ("Processes of Mouving") beschrieben. Damals war "die Phase der Sehnsucht und der Suche nach der verlorenen Bindungsfigur" die erste in seiner Theorie der Trauer. In seinem Buch "Das Glück und die Trauer" (Stuttgart, 1979) erkennt er im 5.Kapitel "Trennung und Verlust innerhalb der Familie", dass es vor der o.g. Phase noch eine andere gibt, nämlich die "der Betäubung." Nach Bowlby kann die "Phase der Sehnsucht" von einigen Monaten bis zu Jahren dauern. Sie beginnt meist "innerhalb einiger Tage oder einer oder zwei Wochen."(S.108) Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Hinterbliebenen nach dem Verstorbenen suchen und ihre Gedanken sich mit der verlorenen Person beschäftigen. Das führt oft so weit, daß die Person die Orte, an denen sich der Verstorbene oft aufgehalten hat, aufsuchen. Sicherlich kann man darüber hinaus auch das Verhalten erklären, dass die Hinterbliebenen sich mit den hinterlassenen Gegenständen umgeben bzw. sich mit ihnen beschäftigen. Bowlby hat daraus die Ansicht abgeleitet, " dass der Hinterbliebene in dieser Phase der Trauer von dem Drang erfasst wird, die verlorene Person zu suchen und wieder zugewinnen."(S.108)

Wenn wir davon ausgehen, dass Sehnsucht häufig als schmerzliches Gefühl beschrieben wird, dann ist es doch möglich, dass sich hinter jeder Sehnsucht eine Art Trauerarbeit verbirgt: Die Befragten fühlten sich durch Eindrücke, wie Gerüche und Bilder, die sie vorher als nicht relevant wahrgenommen hatten, an ein früheren Zustand bzw. ein vergangenes Ereignis erinnert, welche sie als angenehmer empfunden haben.(S.6) Daraus entsteht eine Sehnsucht, die diesen Verlust deutlich macht.

Sehnsucht und Bindungsverhalten

In den Interviews wird deutlich, dass Sehnsucht oft nach einer bestimmten Person, nach einem bestimmten Ort u.ä. empfunden wird: "Ich habe ... dieses schmerzliche Gefühl von Sehnsucht, dass ich denke, wenn ich jetzt ... irgendwo anders in einer früheren Zeit (wäre)."(S.5) Somit ist Sehnsucht ein Gefühl, welches durch Trennung ausgelöst wird: Der Betroffene sehnt sich, wie z.B. bei Liebeskummer oder Heimweh nach einer emotionalen Bindung zurück. John Bowlby macht über das Bindungsverhalten folgende Aussage: "(Es) ist eine Form des Instinktverhalten, die sich beim Menschen, wie bei anderen Säugern, in der Kindheit entwickelt, und die zum Zweck oder Ziel die Nähe zu einer Mutterfigur hat. Die Funktion des Bindungsverhaltens ist der Schutz vor Raubtieren. Zwar ist das Bindungsverhalten in der Kindheit ... besonders stark, doch bleibt es auch im Erwachsenenleben aktiv..."(S.111f) Interessant daran ist, daß Bowlby sich ausdrücklich davon distanziert, bei Bindungsverhalten von einer "regressiven" Instinktausstattung zu sprechen, auch der Begriff " Abhängigkeit" würde die positiven Aspekte dieses Verhaltens irreführend beeinflussen. " Die Vorstellung von Bindungsverhalten als eine normale und gesunde Komponente der Instinktausrüstung des Menschen hat auch zur Folge, dass wir Trennungsangst als die natürliche und unvermeidbare Reaktion betrachten, wenn immer eine Bindungsfigur unerklärlicherweise abwesend ist." (S.112) Kritisch möchten wir anmerken, dass Bowlby den Begriff der Sehnsucht häufig verwendet, wie z.B. im Titel des Abschnitts, ihn aber nicht definiert, sondern als eindeutig annimmt. Hierin bestätigt er nur unsere Erfahrung mit anderen Autoren.