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Materielles Zivilrecht im 2. Staatsexamen: Geschäftsführung ohne Auftrag

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Die Normen zur Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) regeln Haftungs- und Aufwendungsersatzfragen wenn jemand (der Geschäftsführer) ein Geschäft für einen anderen (den Geschäftsherrn) führt, ohne von diesem dazu beauftragt oder sonst berechtigt zu sein.[1]

Anwendbarkeit anderer Anspruchsgrundlagen neben der GoA

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  • Ein Bereicherungsanspruch scheidet regelmäßig aus, weil die GoA einen Rechtsgrund iSd § 812 darstellt. Nach der Literatur soll § 812 ff. aber vorrangig sein, wenn die Geschäftsführung wegen eines unwirksamen Grundgeschäfts erfolgt, da sonst die Ausschlüsse nach § 814, § 817 S. 2 und § 818 Abs. 3 BGB umgangen werden könnten. Die Rechtsprechung wendet auch hier die GoA an und vermutet den Fremdgeschäftsführungswillen.
  • Deliktische Ansprüche sind nicht gegeben, weil die berechtigte GoA den Eingriff in fremde Rechtsgüter rechtfertigt, sodass es am Tatbestandsmerkmal "Rechtswidrigkeit" mangelt.
  • Ansprüche auf §§ 987 ff. BGB scheiden ebenfalls aus. Wurde Besitz an einer Sache in berechtigter GoA erlangt, stellt diese ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB dar.
  • § 241a BGB sperrt die Anwendung der GoA, greift aber nur, wenn der Unternehmer mit seiner Leistung einen Vertrag anbahnen wollte.

Tatbestand der echten GoA

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Begriff der Geschäftsbesorgung

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Der Begriff des Geschäfts in § 677 BGB ist weiter als der in § 675 BGB, der nur die selbstständige Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen umfasst. Geschäftsbesorgung ist jede Handlung rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Art, mit Ausnahme von reinem Dulden oder Unterlassen.

Für einen anderen

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Für einen anderen handelt, wem bewusst ist, dass ein fremdes Geschäft vorliegt und wer den Willen hat, das Geschäft auch als ein fremdes zu führen. Dieser Fremdgeschäftsführungswille ist konstitutiv, § 687 Abs. 1 BGB. Bei schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild in den Zuständigkeitsbereich eines anderen fallenden Geschäften (z.B. der Tilgung von Schulden eines Dritten[2]) wird der Fremdgeschäftsführungswille widerleglich vermutet. Liegt ein Geschäft sowohl im Interesse des Geschäftsführers als auch eines Dritten liegt ein sog. auch-fremdes Geschäft vor. Solang nach dem äußeren Erscheinungsbild das Geschäft hervortritt, dass das Geschäft auch einem anderen dienen soll, gilt auch in diesem Fall die Vermutung.[3]

Bei objektiv neutralen Geschäften (z.B. Kauf eines Automobils) fordert die Rechtsprechung ein Hervortreten des Fremdgeschäftsführungswillens nach außen.[4]

ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung

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Eine Berechtigung kann sich aus Rechtsgeschäft oder Gesetz ergeben.

Rechtfertigung der Geschäftsführung

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Aufwendungsersatz kann der Geschäftsführer nach § 683 BGB nur verlangen, wenn die Geschäftsführung den Interessen des Geschäftsherrn entspricht und mit seinem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen übereinstimmt.

Interesse

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Ein Geschäft entspricht den Interessen des Geschäftsherrn wenn es ihm unter Berücksichtigung seiner konkreten Verhältnisse objektiv nützt. Das Interesse kann unterstellt werden, wenn die Geschäftsführung dem erklärten Willen des Geschäftsherrn entspricht.

Übereinstimmung mit dem Willen des Geschäftsherrn

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Vorrangig ist der tatsächlich geäußerte Wille, auch wenn er unvernünftig oder interessenwidrg ist. Ob der Geschäftsherr von der Willensäußerung wusste, ist irrelevant.

Nur wenn keine Willenäußerung vorliegt entscheidet der mutmaßliche Wille, den der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung geäußert hätte. Er entpsircht regelmäßig den Interessen des Geschäftsherrn.

Ein entgegenstehender Wille ist nach § 679 BGB aber unbeachtlich, wenn das Geschäft im öffentlichen Interesse liegt. Ein Beispiel ist das Abschleppen eines Fahrzeugs im Halteverbot.

Rechtsfolgen der echten GoA

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Achtung: Ansprüche auf Aufwendungsersatz sind nach § 256 BGB schon vor Verzugseintritt mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 246 BGB zu verzinsen!

Berechtigte GoA

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Rechtsfolge der berechtigten GoA ist, dass der Geschäftsführer Aufwendungsersatz nach § 677, § 683 S. 1, § 670 BGB verlangen kann. Analog § 1835 Abs. 3 BGB ist auch die Arbeitsleistung des Geschäftsführers zu vergüten, wenn seine Tätigkeit zu seinem Beruf oder Gewerbe gehört.

Zu den Aufwendungen nach § 670 BGB gehören nach der Rechtsprechung auch für das vom Geschäftsführer übernommene Risiko typische Begleitschäden, obwohl diese streng genommen keine freiwilligen Vermögensopfer darstellen. Es gilt § 254 BGB.

Unberechtigte GoA

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Nach dem Rechtsgedanken des § 684 S. 2 BGB kann der Geschäftsführer Aufwendungsersatz verlangen, wenn der Geschäftsherr die Geschäftsführung genehmigt. Tut er das nicht, hat der Geschäftsführer nur die schwächeren Ansprüche nach Bereicherungsrecht.

Um nicht besser gestellt zu sein als der berechtigte Geschäftsführer muss der unberechtigte Geschäftsführer dem Geschäftsherrn das durch die Geschäftsführung Erlangte herausgeben, § 677, 681 S. 1, 667 BGB. Der Geschäftsherr kann zudem einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Geschäftsführer haben.

War schon die unberechtigte Übernahme für den Geschäftsführer erkennbar ergibt sich der Anspruch aus § 678 BGB, bei einem Verschulden bei der Ausführung der Geschäftsführung kann sich der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB bzw. § 241 Abs. 2 iVm mit dem gesetzlichen Schuldverhältnis der unberechtigten GoA ergeben.

Für alle Schadensersatzansprüche gilt die Verschiebung des Haftungsmaßstabs nach § 680 BGB, wenn die Geschäftsführung der Gefahrenabwehr diente.

Unechte GoA - angemaßte Eigengeschäftsführung

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Eine unechte GoA liegt vor, wenn der Geschäftsführer keinen Fremdgeschäftsführungswillen hat, entweder weil er irrtümlich nicht erkennt, dass er ein fremdes Geschäft ausführt, § 687 Abs. 1 BGB, oder bewusst ein fremdes Geschäft als eigenes führt, § 687 Abs. 2 BGB. Die Regeln gelten nicht für das "auch-fremde" Geschäft, bei dem der Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird, s.o.

Irrtümliche Eigengeschäftsführung

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In diesem Fall liegt keine GoA vor. §§ 677 ff. BGB sind nicht anwendbar. Die Ansprüche zwischen Geschäftsherr und Geschäftsführer bemessen sich nach §§ 812 ff., §§ 823 ff. und §§ 987 ff. BGB.

Vorsätzliche Eigengeschäftsführung

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Der Geschäftsherr kann nach § 687 Abs. 2 BGB die Erfüllungs-, Informations- und Schadensersatzansprüche der echten GoA geltend machen, ist dann aber dem Geschäftsführer nach § 684 S. 1 BGB verpflichtet. Dieser Gegenanspruch beschränkt sich auf Aufwendungsersatz, ein Fordern des Erlangten kommt nicht infrage, da der Geschäftsherr nach § 681 S. 2, § 667 BGB selbst gleich wieder Herausgabe verlangen könnte.[5] § 684 S. 1 BGB ist eine Rechtsfolgenverweisung, die Voraussetzungen des § 812 müssen also nicht vorliegen.[6]

Macht der Geschäftsherr selbst keine GoA-Ansprüche geltend, sondern beruft sich auf die daneben bestehenden Ansprüche z.B. aus §§ 812 ff. BGB, § 823 BGB, kann der Geschäftsführer seinerseits auch keinen Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Ein Auskunftsverlangen des Geschäftsherrn ist dabei noch keine Geltendmachung, sondern erst das Verlangen von Herausgabe oder Schadensersatz.

Fußnoten

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  1. Palandt-Sprau, 70. Aufl. 2011, Einf. v. § 677 Rn. 1
  2. BGH ZIP 2003, 1399
  3. Palandt-Sprau, 70. Aufl. 2011, § 677 Rn. 6
  4. BGH NJW 2009, 2590
  5. BeckOK BGB-Gehrlein, Stand. 1.11.2013, § 687 Rn. 4
  6. BGH WM 1976, 1056