Materielles Zivilrecht im 2. Staatsexamen: Handelsrecht
Kaufleute
[Bearbeiten]Eine Partei ist Kaufmann sein, wenn sie ein Handelsgewerbe betreibt, § 1 Abs. 1, II, als Kaufmann eingetragen ist, §§ 2, 3 oder 5 HGB, kraft Rechtsform, § 6 HGB oder weil sie einen entsprechenden Rechtsschein gesetzt hat.
kraft Handelsgewerbe
[Bearbeiten]Gewerbe ist jede auf Dauer angelegte, von der Absicht der Gewinnerzielung getragene, selbstständige und berufsmäßige erlaubte Tätigkeit, die nach außen hervortritt, mit Ausnahme der freien Berufe (Anwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Ärzte, Zahnärzte, Steuerberater, Architekten, Künstler, Schriftsteller etc.), vgl. § 1 Abs. 2 PartGG.
Ein Handelsgewerbe liegt vor, wenn der Betrieb des Gewerbes nach seinem Umfang und seiner Art einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Dies wird nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 HGB vermutet. Hauptkriterium ist die Notwendigkeit (nicht das tatsächliche Vorliegen!) kaufmännischer Buchführung und Bilanzierung.
kraft Eintragung
[Bearbeiten]Auch Kleingewerbetreibende können den Kaufmannsstatus erlangen, indem sie sich nach § 2 HGB im Handelsregister eintragen lassen. Durch die Eintragung gilt der Gewerbetreibende nach § 5 HGB unwiderleglich als Kaufmann.
kraft Rechtsform
[Bearbeiten]Als Kaufmann kraft Rechtsform behandelt werden die OHG und die KG (§ 6 Abs. 1 HGB und die Aktiengesellschaft und GmbH gem. § 6 Abs. 2 HGB iVm § 3 Abs. 1 AktG bzw. § 13 Abs. 3 GmbHG. Kaufleute sind dadurch jeweils nur die Gesellschaften als solche, nicht ihre Vertreter.
kraft Rechtsschein
[Bearbeiten]Gewohnheitsrechtlich anerkannt ist zudem der Scheinkaufmann, der durch ihm zurechenbares Verhalten den Anschein erweckt hat, er wäre Kaufmann. Gegenüber gutgläubigen Dritten muss er sich dann auch so behandeln lassen. Die Voraussetzungen sind:
- Dem Scheinkaufmann zurechenbares Setzen eines Rechtsscheins
- Schutzwürdiges Vertrauen des Dritten auf den Rechtsschein
- Kausalität zwischen Rechtsschein und infrage stehender Handlung oder einem Schaden
Haftung des Erwerbers eines Handelsgeschäfts
[Bearbeiten]Voraussetzungen
[Bearbeiten]Nach § 25 Abs. 1 S. 1 HGB haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die vom alten Inhaber im Betrieb begründeten Verbindlichkeiten, wenn
- ein Erwerb des Handelsgeschäfts unter Lebenden vorliegt (sonst gilt § 27 HGB)
- das Handelsgeschäft - nach der Verkehrsanschauung - unter der bisherigen Firma fortgeführt wird
- kein Haftungsausschluss nach § 25 Abs. 2 HGB erklärt wurde.
Rechtsfolge
[Bearbeiten]Die Haftung des Erwerbers tritt - anders als der Wortlaut der Norm nahelegt - gesamtschuldnerisch neben die des ursprünglichen Inhabers. Analog § 417 BGB stehen Einwendungen und Einreden des alten Inhabers auch dem Erwerber zu.
Vertretung
[Bearbeiten]Das HGB stellt besondere typisierte Vollmachten zur Verfügung, derer sich der Kaufmann neben der allgemeinen rechtsgeschäftlichen Vertretung aus § 167 ff. BGB bedienen kann.
Prokura
[Bearbeiten]Die Prokura muss gem. § 48 Abs. 1 HGB ausdrücklich durch den Geschäftsinhaber erteilt werden. Eine Duldungs- oder Anscheinsprokura gibt es dementsprechend nicht, allerdings Vertrauensschutz nach § 15 HGB bei Eintragung im Handelsregister.[1] Im Außenverhältnis ist der Prokurist gem. § 49 Abs. 1 HGB mit der Ausnahme des Abs. 2 unbeschränkt vertretungsbefugt für alle Geschäfte, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringen kann, auf das konkret betriebene Gewerbe kommt es nicht an. Abweichende Abreden sind unwirksam, § 50 Abs. 1 HGB. Die Eintragung ins Handelsregister gem. § 53 HGB ist rein deklaratorisch.[2]
Handlungsvollmacht
[Bearbeiten]Die Handlungsvollmacht nach § 54 Abs. 1 HGB ist enger gefasst als die Prokura und umfasst nur die Geschäfte, die typisch sind für das konkret betriebene Handelsgewerbe. Einer ausdrücklichen Erklärung des Geschäftsinhabers bedarf es nicht.
Handelsgeschäft
[Bearbeiten]Ein einseitiges Handelsgeschäft liegt vor, wenn nur eine der Parteien Kaufmann im Sinne der §§ 1 ff. HGB ist, ein beidseitiges, wenn beide Parteien Kaufleute sind. Für beide Varianten regeln die §§ 343 ff. HGB Abweichungen von den BGB-Regeln.
Kaufmännisches Betätigungsschreiben
[Bearbeiten]Nach § 346 HGB sind Handelsbräuche zwischen Kaufleuten beachtlich. Wichtigster Brauch ist das Kaufmännische Bestätigungsschreiben, mit dem ein vermeintlicher Vertragsschluss und dessen Inhalt bestätigt wird. Geht einem Kaufmann ein solches Schreiben zu, gilt sein Schweigen darauf als Zustimmung.[3]
Voraussetzungen:[4]
- Empfänger und Absender sind Kaufleute
- Bestätigungsschreiben nimmt Bezug auf eine Abrede die bei kürzlich tatsächlich stattgefundenen Vertragsverhandlungen getroffen wurde
- Das Schreiben behandelt die Abrede als bereits abgeschlossen (keine bloße Auftragsbestätigung/Annahme)
- Verfasser ist gutgläubig
- Keine wesentliche Abweichung des Inhalts des Schreibens vom Verhandlungsgegenstand
- Kein unverzüglicher Widerspruch des Empfängers
Rechtsfolge: Inhalt des Bestätigungsschreibens wird Vertragsinhalt, unabhängig davon ob zuvor überhaupt schon ein Vertrag geschlossen war. Eine Anfechtung des Empfängers wegen Irrtums ist ausgeschlossen.
Fälligkeitszinsen
[Bearbeiten]Bei beidseitigen Handelsgeschäften sieht § 353 HGB eine Verzinsung bereits ab Fälligkeit vor, der Zinssatz beträgt nach § 352 HGB 5% p.a. absolut.
Bürgschaft
[Bearbeiten]§ 350 HGB erklärt die Formvorschriften des § 766 BGB bei Kaufleuten für unanwendbar.
Gutgläubiger Erwerb
[Bearbeiten]Der Betrieb eines Handelsgewerbes bringt es oft mit sich, dass Gegenstände verkauft werden, die noch im Eigentum des Lieferanten stehen, für die dieser jedoch eine Verfügungsermächtigung erteilt hat (verlängerter Eigentumsvorbehalt). Anders als beim Kauf unter Privaten, bei denen der Besitz Rechtsscheinträger für das Eigentum und damit Grundlage des gutgläubigen Erwerbs ist (§ 932 ff. BGB) schütz § 366 Abs. 1 HGB daher auch den guten Glauben an die Verfügungsmacht gem. § 185 BGB.
Rügeobliegenheit
[Bearbeiten]Nach § 377 HGB muss der Käufer bei einem beidseitigen Handelsgeschäft im Sinne des § 343 HGB die Ware unverzüglich prüfen und bei offenen Mängeln rügen. Versteckte Mängel, die auch bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung nicht feststellbar sind, müssen unmittelbar nach ihrer Entdeckung gerügt werden, Abs. 3. Andernfalls verliert er nach Abs. 2 alle Mängelrechte.