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Materielles Zivilrecht im 2. Staatsexamen: Kraftfahrzeuge

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Kraftfahrzeuge sind als häufig neben Immobilien werthaltigstes individuelles Besitztum außerordentlich relevant in der Rechtspflege wie auch der Ausbildung. Die große Zahl der hierzu gestellten Klausuren rechtfertigt daher eine gesonderte Darstellung der einschlägigen Probleme.

Autokauf

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Sachenrecht

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Besonderheiten ergeben sich beim Eigentumserwerb durch Kfz-Brief (Zulassungsbescheinigung Teil II) und Kfz-Schein (Zulassungsbescheinigung Teil I). Grundsätzlich geht das Eigentum an Fahrzeugen nach §§ 929 ff. BGB über.

Der Kfz-Brief dient aber zur Legitimation des Eigentümers gegenüber der Zulassungsbehörde, die nach § 25Vorlage:§/Wartung/buzer Abs. 4 S. 2 StVZO bei jeder Befassung mit dem Fahrzeug, insbesondere bei Meldungen über den Eigentumswechsel (§ 27Vorlage:§/Wartung/buzer Abs. 3 StVZO), seine Vorlage verlangt. Zweck ist der Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten vor Verfügungen Nichtberechtigter.[1]

Daraus ergibt sich folgendes:

  • Behält der Verkäufer bei Übergabe des Fahrzeugs den Kfz-Brief ein, ist das regelmäßig nur als Übergabe unter Eigentumsvorbehalt zu verstehen[2]
  • Der Besitz des Briefes und die Eintragung im Brief sind Indiz für die Eigentümerstellung am Kfz. Umgekehrt ist bei Gebrauchtwagen ein gutgläubiger Erwerb von Privaten nicht möglich, wenn der Käufer nicht Vorlage des Briefs verlangt[3]
  • Bei Kauf von Händlern genügt bereits der Besitz des Briefes für einen Gebrauchtwagen, auch ohne Eintragung als Eigentümer als Gutglaubenstatbestand für die Verfügungsbefugnis des Händlers gem. § 366 HGB.[4]
  • Beim Kauf von Neuwagen von einem Händler hindert die Nichtvorlage des Briefs nicht den gutgläubigen Erwerb[5], bei Kauf von einem Privaten hingegen schon[6]
  • Obwohl es sich nicht um eine Schuldurkunde handelt, ist der Fahrzeugbrief mit einer solchen vergleichbar, daher kann der Eigentümer des Kfz analog § 952 BGB Herausgabe des Briefes vom Besitzer verlangen[7]

Verkehrsunfall

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Anspruchsgrundlagen

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Die Haftung bei Unfällen im Straßenverkehr ist im Straßenverkehrsgesetz (StVG) gesondert geregelt, was jedoch die Anwendung der §§ 823 ff. BGB nicht ausschließt, § 16 StVG. Ansprüche nach dem StVG sind aber regelmäßig leichter nachzuweisen und daher vorrangig zu prüfen.

Anwendungsbereich des StVG

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Der Anwendungsbereich des StVG ist nur eröffnet, wenn ein Verkehrsunfall im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG vorliegt.

Übersicht:[8]

Tatbestandsmerkmal Definition
"Kraftfahrzeug" Ein Kraftfahrzeug ist jedes nicht schienengebundene Landfahrzeug, das sich mittels eines Motors und nicht durch Muskelkraft fortbewegt (vgl. § 1 Abs. 2 StVG).

Merke: Keine Straßenbahnen, keine Kutsche, kein Fahrrad! Auf die Mehrspurigkeit kommt es jedoch nicht an. Zu den Kfzs gehören also sowohl Krafträder als auch PKW, LKW etc.

"beim Betrieb des Kfz" Nach der herrschenden verkehrstechnischen Auffassung ist ein Kfz in Betrieb, solange es als Verkehrs- oder Transportmittel am Straßenverkehr teilnimmt,[9] sich also im Verkehr befindet oder in verkehrsbeeinflussender Weise im öffentlichen Verkehrsraum ruht und andere Verkehrsteilnehmer gefährden kann.

Merke: Nach dieser Definition ist es insbesondere unbeachtlich, ob der Motor läuft. Es muss sich aber eine typische Betriebsgefahr des Kfz realisieren.

... "einen Menschen getötet, den Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt" diese Tatbestandsmerkmale entsprechen den Definitionen für § 823 Abs. 1 BGB mit der Ausnahme, dass "Sachschäden" auch Schäden an geleasten oder unter Eigentumsvorbehalt gekauften Fahrzeugen umfassen[10]
"Halter des Fahrzeugs" Halter ist, wer das Kfz auf eigene Rechnung gebraucht, also die Kosten bestreitet und den Nutzen zieht und die zum Gebrauch notwendige Verfügungsgewalt über das Kfz besitzt

Merke: Zur notwendigen Verfügungsgewalt gehört die Fähigkeit, Anlass, Ziel und Zeit seiner Fahrt selbst zu bestimmen. Die Eigentumslage ist lediglich ein Indiz. Daher kann auch der Besitzer eines Kfz, das zur Sicherheit übereignet wurde, Halter im Sinne der Norm sein.

"daraus entstandener Schaden" Der Betrieb des Kfz muss kausal für die eingetretene Rechtsgutsverletzung sein. Im Rahmen des § 7 StVG ist dabei nur Äquivalenz, nicht aber Adäquanz erforderlich, da es sich um einen Fall der Gefährungshaftung handelt

Merke:Es ist trotzdem auf den Schutzzweckzusammenhang zu achten. Das heißt der geltendgemachte Schaden muss nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen. Eine bloße äußere Verbindung genügt nicht. Ein Beispiel für einen Schaden, der außerhalb des Schutzzwecks des § 7 StVG liegt, findet sich in BGHZ 115, 84: Aufzuchtbedingt neigen Tiere im Stall des Klägers zu Panikreaktionen. In der Nähe des Stalls ereignet sich ein Verkehrsunfall. Aufgrund der Unfallgeräusche geraten die Tiere in Panik und beißen sich tot. Hier verwirklicht sich lediglich das aufzuchtbedingte Risiko des Tierhalters. Der Schaden liegt außerhalb des Schutzzwecks des § 7 StVG.

"höhere Gewalt" Ein von außen auf den Betrieb des KFZ einwirkendes Ereignis, das so außergewöhnlich ist, dass man mit seinem Eintritt nicht zu rechnen braucht, und das weder durch wirtschaftlich tragbare Einrichtungen noch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt verhindert oder unschädlich gemacht werden kann[11]

Beispiele: Eine Flutwelle trägt ein geparktes Auto fort und drückt es gegen andere Fahrzeuge; Dritte greifen vorsätzlich in den Straßenverkehr ein[12]

Beweislast: Der Beklagte trägt die Beweislast.

Gefährdungshaftung des Halters

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Prüfungsschema Haftung nach § 7 StVG

  • Verletzung eines in § 7 StVG genannten Rechtsguts
  • Betrieb eines Kfz
  • Anspruchsgegner ist Halter
  • Betrieb ist kausal für Rechtsgutsverletzung
  • Kein Ausschluss der Haftung
  • Rechtsfolge: Schadensersatzpflicht

§ 7 Abs. 1 StVG legt dem Halter eine verschuldensunabhängige Haftung für die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr auf, unabhängig davon ob er es überhaupt selbst gefahren hat. Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen wird auf die Tabelle verwiesen

Ausschluss der Ersatzpflicht
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  • vertraglich, beachte aber die Unwirksamkeit bei geschäftsmäßiger Beförderung, § 8a StVG
  • § 7 Abs. 2 StVG bei höherer Gewalt
  • § 7 Abs. 3 StVG bei unbefugter Verwendung des Kfz, die der Halter nicht schuldhaft ermöglicht hat (beachte § 14 Abs. 2 S. 2 StVO)
  • § 8 Nr. 2 und 3 StVG
  • § 15 StVG bei Nichtanzeige

(Vermutete) Verschuldenshaftung des Kfz-Führers

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Prüfungsschema Haftung nach § 18 StVG

  • Verletzung eines in § 7 StVG genannten Rechtsguts
  • Betrieb eines Kfz
  • Anspruchsgegner war Führer des Fahrzeugs
  • Betrieb ist kausal für Rechtsgutsverletzung
  • Kein Ausschluss der Haftung
  • Verschuldensvermutung ist nicht widerlegt
  • Rechtsfolge: Schadensersatzpflicht

Nach § 18 Abs. 1 StVG haftet der Führer des Fahrzeugs neben dem Halter für Schäden aus dem Betrieb des Kfz, wenn es ihm nicht gelingt, die Verschuldensvermutung nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG zu widerlegen.

Rechtsfolgen bei Haftung nach dem StVG

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Der Anspruch auf Schadensersatz bemisst sich nach den §§ 249 ff. BGB. Die §§ 842 ff. BGB sind nicht anwendbar, das StVG enthält aber in §§ 10-13 StVG vergleichbare Regelungen. Nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG können Ansprüche direkt gegen den Haftpflichtversicherer geltend gemacht werden.

Prozessuales

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Zuständigkeit

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§ 20 StVG stellt einen Gerichtsstand am Ort des Unfalls zur Verfügung.

Beweislast

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Es gelten diverse in der Rechtsprechung entwickelte Anscheinsbeweise, zum Beispiel:[13]

  • Auffahrunfall: Es wird vermutet, dass der Auffahrende den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat und/oder mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist und/oder unaufmerksam war
  • Auffahren bei mangelhafter Beleuchtung: Es wird vermutet, dass die mangelhafte Beleuchtung für das Auffahren durch ein anderes Fahrzeug ursächlich war[14]
  • Falsche Fahrspur: Es wird vermutet, dass das Fahren auf der falschen Fahrbahnseite (Geisterfahrer, Überholen, Linksabbiegen) ursächlich für den Unfall war
  • Geschwindigkeitsüberschreitung: Es wird vermutet, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit Ursache dafür war, dass der Verkehrsteilnehmer nicht mehr rechtzeitig bremsen oder ausweichen konnte[15]

Literatur

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Für die Haftung im Straßenverkehr besteht bereits ein Wikibook unter "Der Verkehrsunfall im 2. Staatsexamen".

Empfehlenswert außerdem der Überblick bei Grigoleit/Riehm, Schuldrecht IV, Delikts- und Schadensrecht, 1. Aufl. 2011, Rn 712 ff.

Fußnoten

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  1. BGH NJW 2006, 3488 Rn. 13
  2. BGH NJW 2006, 3488 Rn. 12
  3. BGH NJW 1996, 2226; BGH NJW 2006, 3488
  4. BeckOK BGB-Kindl, Stand 1.2.2014, § 932 Rn. 17
  5. BGH NJW 2005, 1365
  6. BGH NJW 1996, 314
  7. Palandt, 73. Aufl. 2014, § 952 BGB Rn. 7
  8. Zu großen Teilen übernommen aus: Der Verkehrsunfall im 2. Staatsexamen
  9. Grigoleit/Riehm, Schuldrecht IV, Delikts- und Schadensrecht, 1. Aufl. 2011, Rn 717
  10. Grigoleit/Riehm, Schuldrecht IV, Delikts- und Schadensrecht, 1. Aufl. 2011, Rn 714
  11. so BGH NJW 1988, 910 zum Haftpflichtrecht, die Definition ist auf das StVG zu übertragen, Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. 2012, § 7 StVG Rn. 18
  12. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. 2012, § 7 StVG Rn. 19
  13. vgl. Metz: Der Anscheinsbeweis im Straßenverkehrsrecht, NJW 2008, 2806
  14. BGH NJW 2005, 1351
  15. Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 31. Ergänzungslieferung 2013, 4 A Rn. 128