Obdachlosigkeit in Dresden/ 1685: Fast ganz Altendresden wird obdachlos
Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. Viertes Heft
in Kommission bei Carl Tittmann
Dresden, 1883
Alt-Dresden und dessen Brand im Jahre 1685.
Von
Emil Widemann - 1841–1910
"Ein für Geschichte und Topographie einzelner Städte und Ortschaften nicht unwichtiges Moment ist das eingehende Studium des Entwicklungsganges der räumlichen Ausdehnung und der innerhalb derselben sich verändernden Gestaltung, welche je nach Lage und Ortsbeschaffenheit zwar hier und da unbedeutend, andern Ortes aber wieder um so beträchtlicher erscheinen. Ein Stadtteil, welcher zu letztgenannter Kategorie gerechnet werden muß, ist die heutige Neustadt, das ehemalige Alt-Dresden, der nach allgemeiner Auffassung älteste Teil unserer Residenz. Als kleiner Fischerort, vielleicht ursprünglich sorbenwendische Ansiedlung war „Alden-Dreßden“ bereits im 13. Jahrhundert bekannt und blieb im Verhältnis zu der benachbarten Residenzstadt, obschon es 1403 ebenfalls Stadtrecht erhielt, ein kleiner, schwach bevölkerter Ort, der sich, selbst nach Einverleibung und Unterstellung unter den Magistrat der Residenzstadt (am 28. März 1549), nur sehr wenig ausdehnte und vergrößerte, immerhin aber, länger als ein Jahrhundert hindurch, dem hier bestehenden Augustiner-Mönchskloster manches Gute zu verdanken hatte. Auf einem alten Situationsplane aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, der sich gegenwärtig im Besitz der Bibliothek des statistischen Bureaus des Königl. Ministeriums des Innern befindet, bemerken wir den Stadtteil Alt-Dresden gänzlich frei liegend ohne Umwallung; Wiesen und Klostergebäude – das Kloster wurde 1539 aufgelöst – und Gebäude des um 1568 durch Kurfürst August in der Anlegung begonnenen Jägerhofes (?) bilden die Abgrenzung nach Ost und Südost bis [15][1] fast an die alte steinerne Elbbrücke, ein Bauwerk, welches bereits 1287 urkundlich genannt vorkommt, heran. Im Norden sehen wir Scheunen, den Richtplatz und den Schießplan, letztere durch das sogenannte Dreibein (Galgen) nebst aufgesteckten Rädern und durch die Vogelstange markiert. Die nordwestlichen und südwestlichen Abteilungen Alt-Dresdens endlich bildeten nebst der Umgebung der Kirche den Hauptkern, den Centralpunkt der Wohnplätze.
Der offene Flecken „Alden-Dreßden“ mußte sich bereits 1288 Überfälle und Plünderung durch böhmische Räuberbanden gefallen lassen, wurde 1429 durch die Hussiten (Taboriten) unter Prokop verwüstet und, obschon bald wieder aufgebaut, da die üblichen Fachwerkbauten keine große Zeit in Anspruch nahmen, im September 1430 von hussitischen Völkern abermals geplündert und arg mitgenommen. Wenig über ein Jahrhundert später, als bereits die Segnungen der Reformation über die meißnischen Lande ausgegossen waren, litt das Städtchen erneut durch Kriegsläufte, indem die Söldnerscharen des Kurfürsten Johann Friedrich 1547 hier Fuß faßten und plünderten. Zwar hatte Herzog Moritz in richtiger Erkenntnis, daß Alt-Dresden als Endpunkt der alten Straßenzüge nach Leipzig, Königsbrück und Budissin am Aufblühen gehindert sei, wenn es fortgesetzten feindlichen Überrumpelungen ausgesetzt bleibe, bereits 1545 ausgedehnte Umwallungen projektiert und abstecken lassen, auch waren dieselben, Erdwälle und davorliegende Gräben ohne Wasser, ausgeführt worden, jedoch reichten diese schwachen Schutzwehren, die nicht einmal durch Geschütze armiert waren, nicht aus. Immerhin blieb diese Erdumwallung mit einigen mangelhaften Thoröffnungen acht Jahrzehnte hindurch die einzige Einschließung und somit auch Begrenzung des kleinen Stadtteils rechts der Elbe.
Der Zeit des dreißigjährigen Krieges erst war es vorbehalten, eine solidere Befestigung zu veranlassen. Im Jahre 1632 begann Kurfürst Johann Georg I., mit Zugrundelegung des Plans seines Ahnherrn Moritz, allerdings in erweitertem Maße, Alt-Dresden besser zu befestigen. In verhältnismäßig kurzer Zeit vollbrachte sein Oberbaumeister und Ober-Ingenieur Wilhelm Dilich (Not. des Invent.-Verz. d. K. hist. Museums) diese Aufgabe und bildete den Ortsteil zu einem ziemlich quadratischen, mit Bastionen, Wällen [16][2] und Gräben versehenen Festungsbezirk um, zu welchem von außen her drei, von der Elbseite her zwei – (mit dem Brückenthor drei) – Eingänge: im Osten das Jagd- oder Wiesenthor, im Norden das Lausitzer, Budissiner oder Rhänitzthor[21][3] , im Westen das Meißner oder Leipziger Thor, im Süden aber die Wiesenpforte und das Wasser- oder Baderthor führten. Mancherlei Verbesserungen geschahen an der Umwallung unter den folgenden Kurfürsten. So zeigt sich die Festung Alt-Dresden auf einem im Königl. historischen Museum aufgestellten, in Holz ausgeführten Reliefplane (gefertigt nach dem Jahre 1632) ausgestattet mit mächtigen, getürmten Thorgebäuden in weit gezogener Umwallung und gewährt mit ihrer Parochialkirche und ihrer gotischen Begräbniskirche beim Lausitzer Thor, dem Jägerhofe, Rathause und Kommandantenhause ein gar stattliches Gesamtbild. Der Meinung nach, welche Weck in seiner Chronik von Dresden (1679 und 1680) vertritt, waren die Gebäude großenteils steinern. Die Dachkonstruktionen scheinen jedoch, wie wir später sehen werden, nicht besonders solid, ebenso das Mauerwerk nur aus Backsteinen gebildet gewesen zu sein.
Größere Plätze gewahren wir im 17. Jahrhundert in Alt- Dresden nicht, obschon vor dem Rathaus, bei der Kirche und beim Jägerhofe dergleichen von kleinerem Maßstabe, überdies auch am Rhänitzthore der sogenannte Abdankeplatz bei dem ziemlich frei gelegenen Friedhofe zu bemerken sind. Die hauptsächlichsten Straßen führen nach den Thoren, und finden wir im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts genannt: „Breitegasse, Kirchsteig, Oberfahrweg, Reinsche oder Rentz- (Rhänitz-) Gasse, Meißnische Gasse, Clostergasse, Im Kloster, Kolmarkt, Ufm Graben, Unterfahrweg, Badergasse, Neuegasse, Am Markt, Ufm Kirchhofe.“ Dicht an der Umwallung hin mögen geführt haben: „Meißnische Straße, Haynische Straße, Sattelweg, Ackerweg, Viehtreibe.“
Die Häuser sind fast durchschnittlich klein, teils aus Fachwerk, teils aus Stein- oder Ziegelmauerwerk, die Dächer aber [17][4] fast durchgängig nur mit Holzschindeln, im Stadtbezirke stehende Scheunen sogar nur mit Stroh gedeckt. Zur Stadt Alt-Dresden gehörten drei Vorwerke, welche wohl den ursprünglichen Ortsstamm gebildet haben mögen, jedoch durch die Umwallung unterbrochen wurden und keine geschlossenen Fluren mehr bildeten. Das „Untere Vorwerk“ lag im westlichen Teile zunächst der Elbe und der Meißnischen Straße, das „Mittelvorwerk“ hatte seine Fluren meist zwischen der Meißner und Haynischen Straße, das „Obere Vorwerk“ lag östlich von diesem bis zur Budissiner oder Stolpner Straße hin. Der Wert des Scheffels Acker dieser Vorwerke wurde 1636 auf ungefähr 70 Gulden angegeben. Brauereien befanden sich drei in Alt-Dresden, zwei auf der Meißnischen und eine auf der Rhänitzgasse.
Die Ortseinteilung geschah nach zweierlei Art, erstens nach Vierteln, deren es vier gab, zweitens nach „Stöcken“, deren es, der Buchstabenfolge nach, zwanzig gab. Nach der Feuerordnung vom Jahre 1678 begann das erste Viertel „an der Ecke der Brücke“ und endete „bei der Apotheke.“ Es umfaßte sonach die Meißnische Gasse und den Kohlmarkt, auch einige Häuser am Markt. Das andere Viertel begann auff der Ränitz-Gasse und endete „am Marckte“, umfaßte sonach hauptsächlich die Rhänitzgasse. Das dritte Viertel „fähet sich an am Marckte bey des Churfl. S. Commendanten Hause und endet sich auf der Pastey“, enthielt sonach hauptsächlich die Häuser zwischen dem zweiten Viertel und der im Osten liegenden Breitegasse, sowie nördlich bis zum Festungswall. Das vierte Viertel „gehet an auff der breiten Gasse und endet sich am Marckte“; zu ihm gehörte sonach der östliche und südöstliche Stadtteil, Breitegasse und Klostergasse. Öffentliche Brunnen, elf an der Zahl, befanden sich „im Grunde, auf der Meißnischen Gasse, auffn Kohl-Marckte, auff Neu Gasse, Ranitz Gasse, Breite Gasse, Closter Gasse, auffm Graben, am Rathhause, am Marckte und neben der Büchsenmeister Wacht“ (nahe der Elbbrücke).
Für unsere heutigen Begriffe unverständlich bleibt die jedenfalls älterer Zeit entstammende Ortseinteilung nach „Stöcken“, welche überdies keineswegs bei der Einteilung der Stadt in Viertel mit maßgebend gewesen zu sein scheint, da wir z. B. im ersten [18] Viertel als Bezeichnungen der Stöcke A, L, M, N, im zweiten Viertel E, G, H, I, O, Q, T, V, im dritten Viertel E, M, Q, R, S, im vierten Viertel C, D, L, R angegeben finden (vgl. Ratsakten „zur Revision der Steuer Cataster von Alt-Dreßden gehörig“, v. J. 1693).
Durch das in dem Aktenstück des Ratsarchivs C. II. 4 gebene Verzeichnis der bewehrten Bürgerschaft in Alt-Dresden vom Jahre 1630 sind wir in den Stand gesetzt, die Zahl der bewohnten Häuser angeben zu können, da ein jedes Haus einen bewehrten Mann zu stellen hatte. Es finden sich:
im ersten Viertel 107 Hauswirte und 52 Hausgenossen, im zweiten Viertel 146 " " 54 " im dritten Viertel 66 " " 13 " im vierten Viertel 71 " " 25 " demnach 390 Wirte (und Wohnhäuser), sowie 144 Hausgenossen, im ganzen also 534 selbständige Einwohner, welche mit 81 Piken, 127 Musketen und 182 „Heleparten“ bewaffnet waren. Eine andere Korporation waren die Büchsenmeister („Dreißiger“), dreißig Mann, welche in der Handhabung der Geschütze angelernt waren, die aber nicht immer vollzählig erhalten worden zu sein scheinen, da beispielsweise 1685 nur 17 derselben genannt werden. Auch die „Lappländer“, deren es in der Residenzstadt und in Alt-Dresden zusammen 100 gab, waren ein wehrhaftes, während des dreißigjährigen Krieges mehrfach genanntes Corps.
Die hauptsächlichsten in Alt-Dresden betriebenen Gewerbe waren Schiffhandel, Fischerei, Fleischerei, Leinweberei, das Braugewerbe und die Ökonomie. Es gab viele kleine und arme Leute im Stadtteil rechts der Elbe; zu den namhaften Personen gehörten der Stadtkommandant, Stadtrichter, Stadtschreiber, Pastor, Diakonus, Rektor, die Lehrerschaft, der Apotheker, der Physikus, die Viertelsmeister, die Brauherren und Baumeister. Eine Anzahl Höfe – es finden sich allein im zweiten Viertel deren elf genannt – lassen die Meinung zu, daß Alt-Dresden von Ursprung an ein ackerbautreibender Ort gewesen sei und seine Scheunen, deren Reste vielleicht in dem später „die Scheunenhöfe“ genannten Stadtteile wenigstens dem Namen nach erhalten geblieben sind, nach Nordwesten zu stehen gehabt habe.
[19] Der größte Teil des Grundbesitzes stand unter Ratsjurisdiktion, ein kleinerer Teil unter dem Amte; einige Häuser und Grundstücksgruppen, so z. B. das Regimentshaus, der Jägerhof und der Holzhof, waren kurfürstlich, andere dreizehn werden noch im Jahre 1693 als Freihäuser erwähnt. Um nun ein möglichst vollständiges Bild der Gestaltung Alt-Dresdens vor dem Brande zu geben, sei es gestattet mit Hilfe jenes oben erwähnten Reliefplans im Königl. historischen Museum, dem man, da er der kurfürstlichen Modellkammer entstammt, Glaubwürdigkeit wird beimessen können, noch folgendes zu bemerken. Die Ausdehnung des Ortes innerhalb der Festungsmauern von Ost nach West, zwischen Jägerthor und Meißner oder Leipziger Thor, betrug in Luftlinie – über die Kirche weg gemessen – 169 Ruten oder 845 Schritt oder 1183 Ellen; die Ausdehnung von Süd nach Nord, zwischen Brückenthor und Lausitzer Thor, ebenfalls in gerader Linie über die Kirche hinweg gemessen, stellte sich auf 112 Ruten oder 560 Schritt oder 784 Ellen. Als Hauptverkehrsstraßen sind die Meißnische, Rhänitz- und Breitegasse zu bezeichnen, während an die heutige Hauptstraße noch nicht zu denken war. Auf dem Trakte der letztgenannten, welche bekanntlich insgesamt eine Länge von 420 Meter und eine Breite von 60 Meter, konisch sich bis zu 30 Meter verjüngend, aufweist, und etwa in deren Mitte, in der Gegend der heute noch an der Allee freistehenden steinernen Wasserhäuser, stand, ihren Turm nach Südwesten richtend, die Kirche inmitten dichter Häusergruppen, zwar an einem mäßigen Platze, dem Kirchhofe und ehemaligen Begräbnisplatze, jedoch nur zugänglich durch mehrere kleine, schmale Gassen.
Das der Residenzstadt gegenüber liegende kleine Alt-Dresden ward im Laufe der Zeit, zwischen 1407 und 1739, nach chronikalischen Berichten von nicht weniger als 51 Bränden heimgesucht; der bedeutendste derselben war derjenige, welcher am 6. August 1685 stattfand. An genanntem Tage vormittags gegen 11 Uhr brach in dem im ersten Viertel auf der Meißnischen Straße und zwar auf deren rechter Seite in der Gegend des heutigen „der Grund“ genannten Durchgangstraktes gelegenen, dem Büchsenmeister und Kunsttischler Tobias Edler zugehörigen Hause Feuer aus, welches binnen etwa fünf Stunden das Städtchen Alt-Dresden fast vertilgte, [20] da 336 Wohnhäuser[22], außer den Nebenhäusern und Scheunen, dem furchtbaren Elemente zum Opfer fielen. Der Jägerhof, das Rathaus und 21 Häuser entlang der Elbe blieben vom Brande verschont. Das beste Bild der grauenhaften Zerstörung gewährt der seitens des Rats zu Dresden unterm 9. (?) August an den Kurfürsten Johann Georg III. gegebene umfassende Bericht, vgl. Hilscher, Sammler, S. 467[23], welcher lautet, wie folgt:
„Durchlauchtigster Churfürste,
Ew. Churfürstl. Durchl. sind unserer unterthänigte Dienste in pflichtschuldigter Treue jederzeit bevor,
Gnädigster Herre!
Ew. Churfürstl. Durchl. können wir betrüblich unterthänigst nicht vorhalten, wird auch Derselben, leider, bereit wohl bewust seyn, daß heut vor Mittag gegen Eilff Uhr der gerechte Gott abermahls eine große Feuersbrunst alhier verhangen, indem zu Alt-Dresden, auf der Meißnischen Gasse in des sogenannten Kunst-Tischlers, Tobien Edlers Hauße (durch wessen Verwahrlosung aber, wir zur Zeit noch nicht erfahren können) ein unvermuthet Feuer aufgegangen, welches darnach erfordern der Feuer Ordnung aller Möglichkeit nach in continenti darwider gemachten Anstalt ungeachtet theils wegen dort herumbgelegener ganz hölzerner und mit Schindeln bedeckter Häußer, theils wegen des dabey entstandenen starken Windes dermaßen schleunigst überhandgenommen, daß an vielen auch entlegenen Orthen es fast zugleich zu brennen angefangen, und also in vier bis fünff Stunden die ganze Stadt und darunter vornehmlich die Kirche nebenst dem Glockenthurm, Pfarre und Schulgebäuden, wie auch Ew. Churfürstl. Durchl. Regiments-Hauße und Holzhoffe im Rauch aufgegangen, und zum Theil noch in voller Flamme stehen, und allein Ew. Churfürstl. Durchl. Jägerhauß nebenst dem Rathhauße und ohngefähr 18 bis 20 an der Elbe hergebaueten Häußer noch bis jetzo durch Gottes sonderbahre Güthe vor der grausamen Gluth erhalten worden. Sonsten haben, [21] weil bey überhandgenommener Gluth, und da das Feuer von einer Gasse zur andern durch den Wind getrieben und andere Gebäude entzündet worden, das in Alten-Dreßden vorhandene Feuergeräthe nicht zulänglich seyn wollen, wie aus der Festung mit benöthigter Mannschaft und zum Löschen dienliche Instrumenten unvorzügliche Hülffe geleistet, und nicht allein fünff Dorffschaften mit Pferden und Wagen, wie auch Mannschafft noch heute zum löschen alhier sich eingefunden, aufgebothen, sondern auch in hiesigen Vorstädten die Anstalt gemacht, daß von heit abends bis morgen Mittag 250 Mann einander Wechselsweise jedesmal mit 50 Mann ablösen und aus hiesiger Neudörfnischer Bürgerschafft gleichfalls 100 Mann die jezige Nachtwache draußen verrichten, und allenthalben bestmöglichste Aufsicht zu Verhütung ferneren Schadens haben sollen, inmaßen denn auch übrigends bey denen in der Vestung gegen Alten-Dreßden zu liegenden Häußern, als in denen an der Elbe zu beyden Seiten gelegenen Vorstädten bei allen und jedem Einwohner Verfügung geschehen, daß jedweder auf sein Hauß achtung haben und also nächst Göttlicher Gnade allem ferneren Unheyl fürgebaut werden möchte. Vor die armen abgebrannten Leuthe, welche theils in Gärthen, theils auf Wiesen liegen, haben Wir gleichfalls einen Vorrath an Brod und Getränke annoch heit anschaffen lassen. Dem Tischler bei welchem dem Verlaut nach das Feuer auskommen seyn soll haben wir zwar nachgetrachtet, solchen aber bis dato nicht finden können. – Welches inmittelst Ew. Churfürstl. Durchl. wir in unterthänigkeit berichten sollen, des gehorsamsten erbiethens, von allen andern genauere Nachricht einzuziehen, und davon ehestens unsern ausführlichen Bericht[24] gehorsamst zu erstatten, hiernächst verbeibend
Ew. Churfürstl. Durchl.
Unterthänigste, gehorsamste Datum am 9. August[25]
1685. Der Rath zu Dresden.“ [22] Zur Ergänzung dieses Ratsberichts wird es nötig sein, zunächst einen Blick auf das Feuerlöschwesen Alt- Dresdens zu werfen. Aus der Feuerordnung vom Jahre 1678 geht hierauf bezüglich hervor, daß bei den elf öffentlichen Gassenbrunnen stets gefüllte eichene Wasserbütten auf Schleifen in Vorrat standen und daß lange Leitern und Feuerhaken unter Dach und Fach auf dem Kirchhofe lagerten. Im Rathause wurde eine Anzahl lederner Wassereimer und „eine messingene Trage-Sprütze“ aufbewahrt, und in jedem Hause mußten ebenfalls zwei Feuereimer zu finden sein. Dies waren die Löschvorrichtungen. Erscholl nun ein Feuergeschrei, so lag dem Glöckner auf dem Turme ob, alsbald an die Glocke zu schlagen; auch hatte der Gerichtsknecht auf dem Rathause „die Feuer Glocke zu lauten“, die Wächter mußten dem Stadtrichter Meldung thun, und dieser hatte sofort zum Feuer zu eilen, „was nothwendig zu verordnen und die Leute zur Arbeit anzutreiben.“ Zimmerleute, Maurer und Brauer waren schuldig, das Feuerlöschgeräte herbeizuschaffen und bei der Rettung und beim Löschen mit den übrigen Handwerksleuten Hand anzulegen. Im Rathause hatten der stellvertretende Stadtrichter und der Gerichtsschreiber anwesend zu sein, der Gerichtsknecht und der Nachtwächter mußten die Feuereimer „herunter werffen und zum Feuer schaffen.“ Um dem Viertel, wo der Brand auskam, thätige Hilfe zu bringen, mußten zwei der übrigen Viertel ihre Mannschaften zum Retten senden, des letzten Viertels Mannschaften aber hatten, zur Hälfte mit Gewehr, zur Hälfte mit Eimern versehen, auf dem Markte Aufstellung zu nehmen. Die Besitzer von Pferden waren verpflichtet, nach den oben erwähnten Wasserbütten zu eilen und diese auf den Schleifen herbeizuführen. Im Bedarfsfalle wurde auf Anordnung des Festungskommandanten in Alt-Dresden „das Pförtlein an der Badt-Stuben zur Elbe eröffnet und von dannen das Wasser zugeführt.“ Weiber und Dienstmägde hatten sich vom Feuer fernzuhalten, dagegen beim Röhrkasten, an den Brunnen oder an der Elbe das Wasser in die Bütten zu füllen. Hausgenossen, Handwerksgesellen und Knechte hatten ebenfalls durch Eimerdienst u. s. w. beim Löschen ihrerseits thätig zu sein. Selbst die kurfürstlichen Jägerei-Verwandten thaten im Dringlichkeitsfalle Helferdienste. Als in dem hier in Rede stehenden Falle wichtigster [23] Punkt ist der letzte Paragraph der Feuerordnung zu betrachten, da er von der Hilfeleistung aus der Residenzstadt handelt. Er besagt: wenn bei verschlossener Festung Feuer in Alt-Dresden auskäme und es vom Kurfürsten oder dessen Festungskommandanten nötig befunden würde, daß 100 Mann, aus jedem Viertel 25, von der Bürgerschaft aus der Festung nebst vier Ratspersonen und den vier jüngsten Viertelsmeistern über die Elbbrücke hinausgelassen werden. Bei Tage kann dagegen nach Gelegenheit mehr Rettung geschehen, jedoch „daß die Vestung des Volckes nicht entblösset werde.“
Der überaus heftige Brand scheint die Viertel der Reihenfolge nach ergriffen zu haben; als Verwahrloserin des Brandes, welcher auch Menschenleben forderte, indem die Kinder Edlers und das Eheweib des Bürgers und Fleischers Mich. Francke „verbrunnen und zu Asche worden,“ wurde ein Mädchen ermittelt[26]. Überhaupt fanden sich als Kalamitosen 331 Hausbesitzer und 640 Hausgenossen vor. Außer Kirche, Schule, Regimentshaus, Wache und Pfarrhaus wurden im ersten Viertel 82, im zweiten 146, im dritten 59 und im vierten 44 Wohnhäuser eingeäschert. Erhalten blieben außer dem Jägerhofe und Rathause 21 Häuser zunächst der Brücke, an der Klostergasse und Meißner Gasse. Die Not, in die eine so große Anzahl armer Leute geriet, war sehr groß und veranlaßte den Rat zu Dresden, in der Zeit vom 6. bis 10. August für 163 Thaler 1 Gr. Brot und Bier zur Verteilung bringen zu lassen, auch den Kurfürsten und andere mildthätige Menschen um Naturallieferungen anzugehen. Infolgedessen wies der Kurfürst 40 Scheffel Korn in zwei Raten an, der Rat zu Meißen überschickte 8 Scheffel Mehl, 1 Faß Wein und einen Scheffel Salz, der Kurkanzler von Miltitz 9 Brote, 1 Faß Bier und ½ Tonne Wein, der kurfürstl. Leibmedicus Dr. Wiesener 2 Scheffel gebackene Brote und eine Hose Butter, Dr. Otto 2 Scheffel Brot und 2 Faß Bier, Bürgermeister Wiegner 1 Faß Bier; zwei Frauen spendeten 1½ Faß und 19 vermögende Einwohner zusammen 10½ Tonnen Bier. Um aber auch die Brandkalamitosen, namentlich für ihre Mobiliareinbußen, einigermaßen zu entschädigen, wurde vom 19. Aug. [24] an in den Stadtteilen Dresdens links der Elbe eine Kollekte von Haus zu Haus eingesammelt, bei welcher in Summa 1383 Thaler 4 Gr. 8½ Pf. einkamen.
Es steuerten hierzu bei: Se. kurf. Durchlaucht der Kurprinz 30 Thaler, Dr. Ziegler in Wittenberg 10 Thlr., der Amtmann zu Oschatz 10 Thlr., das erste Stadtviertel Dresdens 269 Thlr. 3 Gr. 5 Pf., desgl. 37 Thlr. 10 Gr. 10 Pf., das zweite Stadtviertel 267 Thlr. 6 Gr., desgl. 19 Thlr., das dritte Stadtviertel 255 Thlr. 12 Gr. 6 Pf., desgl. 7 Thlr. 2 Gr., das vierte Stadtviertel 291 Thlr. 4 Gr. 3 Pf., desgl. 27 Thlr. 3 Gr., die zehn Vorstadtgemeinden in Summa 159 Thlr. 10 Gr. 8½ Pf.
Von den letzteren steuerte die Rampische Gemeinde am reichlichsten (36 Thlr. 16 Gr. 8½ Pf.), die Viehweider Gemeinde am schwächsten (4 Thlr. 21 Gr. 6 Pf.) bei. Bereits am 14. August hatte der Rat 26 Thlr. 11 Gr. in Raten von 6 Pf. bis zu 2 Gr. an die Armen zur Verteilung bringen lassen; der Betrag der Sammlung wurde später und bis zum 9. September nach aufgestellter Spezifikation (vgl. Ratsakten C. II. 15. Vol. I.) zur Verteilung gebracht. Es erhielten bei der hiernach erfolgten Hauptverteilung die Hausbesitzer insgesamt 735 Thlr. 4 Gr. in Äquivalenten von 16 Groschen bis zu 10 Thalern; so bekam u. a. der Leinweber Silbermann 16 Gr., der Schiffmüller Schieritz 1 Thlr. 12 Gr., Tobias Edler, der Kunsttischler, in dessen Hause das Feuer herausgekommen, 3 Thlr., die Pastorswitwe Götting 4 Thlr., Schiffhändler Winter 5 Thlr., Witwe Eberwein und Organist und Viertelsmeister Walkoff je 6 Thlr., endlich Stadtrichter Müller 10 Thlr. An die Hausgenossen wurden in Appoints von 4 Gr. bis zu 10 Thlrn. 587 Thlr. 14 Gr. zur Verteilung gebracht; es erhielten beispielsweise der Röhrmeister Trobisch und der Goldschmiedsgeselle Potter je 16 Gr., der Fleischer Francke, dessen Eheweib „verbrunnen,“ 2 Thlr., die Witwe des Diakonus Schultze 3 Thlr., die Goldschmiede Wecker und Porisch 1 und 3 Thlr., der Baccalaureus und der Kustos der Schule je 4 Thlr., Kantor Küffner 6 Thlr., Caspar Funcke 6 Thlr. 12 Gr., Rektor Gelenius 8 Thlr., Pastor Leschke und Diakonus Hahn je 10 Thlr.
Jedenfalls infolge der Ratschläge tüchtiger Fachmänner entschloß sich Kurfürst Johann Georg III., die Neustadt planmäßiger [25] und besser im Neubau erstehen zu lassen, und beauftragte daher seinen Festungsbaumeister und Artillerie Obersten Wolf Kaspar von Klengel mit Ausarbeitung eines Planes, welcher neben besserer Einrichtung der Gebäude die Änderung einiger Gassen sowohl „zu mehrerer commodität der Einwohner alß Zierath der ganzen Stadt“ im Auge behalten sollte. Bezüglich dieses Projektes richtete der Rat an den Landesherrn nachstehenden Bericht[27]:
„Durchlauchtigster Churfürst, Ew. Churf: Durchl: seind Unsere unterthänigste gehorsambste Dienste in pflichtschuldigster Trewe iederzeit bevor,
Gnädigster Herr, Ew. Churf: Durchl: ist in gnaden wißend, wie durch Gottes Verhängnüs die Stadt Alt Dreßden vor weniger Zeit, in etzlichen stunden iämmerlich in die Asche geleget worden, wodurch die meisten Einwohner fast umb alle das ihrige uff einmahl kommen, Nun seind Wir in begrieff von dieser gantzen sache einen ausführlichen Bericht zuerstatten, darinne sowohl der Kirchen und Geistlichen Religion Ambts daraus Kirchen: und Schuldiener bishero unterhalten worden, als auch des gemeinen Stadt Wesens Zustand und anders, das zur consolation dieses armen orths dienen möge, ausführlich vorgestellet werden soll, Nachdem aber damit so geschwinde nicht uffzukommen sein will, selbiges Hauptwerk auch in die meisten E. Churf: Durchl: hohe Collegia, als Renth-Cammer, Steuer, Ober Consistorium etc: einlauffen wird, und dahero sichs mit den gnädigsten resolutionen in einen und den andern Punct vorziehen dürffte, Voritzo aber wegen eines praeiudicial puncts, welches halben doch summum periculum in mora Zweifel ereignet, indem ein solcher rumor erschollen, ob wehre E. Churf: Durchl: Gn: Will und meinung, daß die Kirchen: und Schulgebäwde an einen andern orth der Stadt transferiret, der künfftige uffbaw der privat Häuser auch anders disponiret, und also denen Einwohnern uff ihre Brandtstellen hinwieder zu bauen, nicht verstattet werden solte, welcher rumor causiret, daß die Einwohner welche auch waß uffzubauen, gesonnen gewesen, stutzig worden, ingleichen daß Wir nicht wißen, [26] ob uff die conservation des Gemäuers bey der Kirchen: und Schulgebäwde gegen bevorstehenden Winter itzo ein absehen zunehmen sey, und also E. Churf: Durchl: gnädigsten entschließung Unß und der armen, abgebrandten hierunter sehr nothwendig, Alß haben Wir vermittelst dieses unterthänigsten Vorberichts umb gnädigste resolution bitten sollen, ob die Kirchen: und Schulgebäwde, wie sie itzo gestanden, in Zukunfft wieder zuerheben, auch ieder der abgebrandten Bürger und Einwohner seine Brandtstelle behalten und darauff so guth Er kan wieder bauen möge, oder wie sich sonsten deswegen zubezeugen sey, dabey wir aus pflichtschuldigkeit erinnern, daß so die Kirchen: und Schuelgebäwde anderer orthen transferiret werden müsten, etzliche 1000 fl. so noch an den gemäuer sonderlich in den fundamenten, itzo zuerhalten wehren, wegfallen, auch wegen der Begräbnüße, indem in der Kirchen, viel adeliche und andere Grabstellen seind, mancherley Klage geführet, bey den privat Häusern aber, wegen der Keller, uff den Brandtstädten hafftenden Schulden, und hypothecen und sonsten große inconvenientien erwachsen und der uffbaw an diesen gantz nahrlosen orthe mercklich gehindert werden dürffte, E. Churf: Durchl: gnädigsten schleunigen Resolution seind Wir hierüber in unterthänigkeit erwärtig und Verharren E. Churf: Durchl: unterthänigste, gehorsambste
Dreßden am 21. Sept. 1685. Der Rath zu Dresden.“ Hierauf erließ wenige Tage später der Kurfürst nachstehendes Reskript[28] an seine Räte Geh.-Rat Haubold von Miltitz, Kammerdirektor Bose, Obrist Klengel, Hofrat Dr. Ritter, Oberamtsverwalter Leister und den Rat zu Dresden:
„Beste hochgelarte Räthe und liebe getreue. Wir haben aus eurem, des Raths, unterm 21. dieses unterthgst. abgelaßenem Bericht verlesen hören, Was Ihr wegen Wiedererbauung unserer durch jüngstentstandene Feuersbrunst ruinirten Stadt Alten Dreßden, sonderlich ob die Kirchen- und Schulgebäude, wie auch privat-häuser auf vorige art und stellen hinwieder gesezet werden sollen vor gehorsamste erinnerung gethan. Nun ist Euch dem Obristen v. Klengel wißend, was Wir dißfalls vor eine intention führen [27] und wohin wegen einrichtung der Gebäude und änderung einiger gaßen, sowohl zu mehrer commodität der Innwohner alß Zierath der ganzen Stadt unser absehen gerichtet: Wie aber einer nothdurfft seyn will dieses werck wohl und genau zuuntersuchen und zuüberlegen; Alß ist unser gndsts. begehren, Ihr wollet nicht allein mit dem förderlichsten den orth und die Brandtstädte in augenschein nehmen und wer von denen abgebrandten Innwohnern wiederumb aufzubauen gewillet und vermögens ist, mit fleiß erkundigen sondern auch wie das absehen, wegen änderung etlicher gaßen und neuer anlegung der privat häuser zu erreichen reiflich und wohl erwegen. Hiernächst wird auch, wofern durch die vorhabende änderung einen oder andern ein Raume oder sonst etwas entzogen und hergegen einen andern zugeleget werden solte, nicht weniger auch der uf denen Brandstädten hafftenden steuer ßo schulden[29] und Hypothecen halber, ein billigmeßiges reglement und Ordnung zu machen und demjenigen so etwas abgehet behörige ersezung zu thun, auch deshalben Vergleich mit ihm zu treffen seyn; Welches Ihr denn nach denen mit unterlauffenden umbständen gleichfalls in gute consideration zuziehen und wie es allenthalben dergestalt daß Recht und billigkeit beobachtet und die Wiederaufbauung der Stadt, gegenwärtigem Zustande nach, zu des gemeinen wesens und der armen Innwohner besten möglichst befördert und beschleiniget werden möge, eure gedanken zusammenzutragen wißen werdet: Gestalt Wir denn über dieses alles und wie sonst der Bau, damit derselbe ungehindert von statten gehen und die nothdurfft an materialien füglich beygebracht und erlanget werden könne, eures unterthänigsten Berichts und Gutachtens mit dem ehisten, weill periculum in mora, zu fassung fernerer entschließung und resolution gewärtig seyn wollen. Es beschieht hieran etc. und etc. Datum Torgau d. 30. Sept. Ao. 1685.“
Im weiteren Verfolg der Bebauungsangelegenheit wendeten sich die vorgenannten Kommissäre unterm 3. Februar 1686 an den Kurfürsten um Verwilligung von Schuttfuhren, unter dem Bemerken, daß der Schutt zu Ausfüllung der alten Stadtgräben verwendet werden solle; nach Vollzug der Abräumungsarbeiten [28] (welche nach beiliegendem Anschlag, auf 12 Monate berechnet, 1600 Thaler Kostenaufwand veranlassen würden), werde die Ausführung des aufgestellten Bauplans wesentlich erleichtert sein[30]. Hiermit erklärte sich der Landesherr einverstanden und wies die Obersteuer-Einnahme zur Zahlung der Anschlagsumme an. Obschon nun erst nach und nach bei dem herrschenden Geldmangel diese Zahlung erfolgen konnte, so ordnete doch bereits ein anderweitiges kurfürstliches Reskript vom 9. April 1686[31] an dieselbe Amtsstelle die Zahlung weiterer 1500 Thaler an das Oberbauamt an, damit verschiedene Besitzer, deren Häuser oder Arealräume in die neuangelegten Straßen fielen, Entschädigungen erhalten könnten. Eine gleichhohe Summe wies der Kurfürst unterm 28. Mai 1687 für denselben Bedarf an. Mit der Zahlung dieses letzteren Betrags dauerte es längere Zeit, und Mitte 1687 war dieselbe noch nicht erfolgt; dennoch meldete Klengel, daß im Laufe dieses Jahres „die principaleste Passage und Hauptstraße zum neuen Einlaß“ (d. i. dem spätern Budissiner Thor) zustande gebracht werden solle. Nicht zu unterschätzen ist hierbei die Steuerquote, welche der kurfürstlichen Land- und Tranksteuerkasse durch Steuererlaß, Bau- und Braubegnadigungen verloren ging. Der Steuerdirektor berechnete dieselbe unterm 15. Juni 1687 auf 30368 Fl. 11 Gr. 6¾ Pf.[32] Bemerkenswert ist hierbei, daß bis zu diesem Termine bereits 72 Häuser in Alt-Dresden wieder neu aus dem Schutte erstanden waren, denen infolge Befehls vom 27. Mai d. J. 250 Freibiere, jedes zu 26 Fl. 14 Gr. gerechnet, zugestanden worden waren. Mangels einer Kirche hielt die Parochialgemeinde zu Alt-Dresden ungefähr 2½ Jahre lang Gottesdienst auf dem Rathaussaale ab. Bereits in den ersten Monaten d. J. 1686 gingen zwei Parteien Almosensammler, jede zu zwei Mann, ausgestattet mit je 50 Thlr. Ratsvorschuß, kurfürstlicher Rekommandation, Kreditbrief und Ratsinstruktion, auf Reisen ins Ausland, um Almosen für die Kirche und die Schul- und geistlichen Gebäude einzusammeln[33]. Zwei derselben, Johann Georg Knoche und Johann Schelle, reisten am [29] 6. Mai von Dresden ab und übergaben ihre Relation an den Rat unterm 17. September 1686. Sie legten hiernach binnen 16 Wochen an 500 deutsche Meilen zurück, wurden an vielen Orten abgewiesen oder auf Einsendung vertröstet und erhielten in barem Gelde nur in Altenburg 26 Thlr. 8 Gr., Zeitz 20 Thlr., Eisenberg 1 Thlr. 8 Gr., Jena 6 Thlr., Weimar 6 Thlr., Coburg 1 Thlr., Bayreuth 100 Thlr., Nürnberg 33 Thlr. 8 Gr., Dinkelsbühl 4 Thlr., Heilbronn 12 Thlr., Stuttgart 37 Thlr., Biberach 5 Thlr. 8 Gr., Augsburg 12 Thlr., Memmingen 13 Thlr. 8 Gr., St. Gallen 20 Thlr., Zürich 100 Thlr., Straßburg 6 Thlr., Heidelberg 6 Thlr. 16 Gr. und Weißenfels 31 Thlr. Überhaupt kassierten sie eine Summe von 441 Thlr. 8 Gr. ein, welcher 407 Thlr. 17 Gr. 6 Pf. Ausgabeposten (Fuhrlohn 187 Thlr. 17 Gr. 6 Pf. und Verpflegungsdeputat, berechnet vom 12. Mai bis 29. August, 220 Thlr.) gegenüberstanden, so daß nur 33 Thlr. 9 Gr. 6 Pf. zur Ablieferung gelangten. Hiergegen baten die beiden Reisesammler unterm 9. Juni 1687 um Überlassung des ihnen bei Beginn ihrer Reise gewährten und nun zurückgeforderten baren Vorschusses von 50 Thlr., da sie beiderseits vermögenslos seien. So scheint das ganze Reiseerträgnis mit einem Fehlbetrag von 16 Thlr. 14 Gr. 6 Pf. abgeschlossen zu haben. Die beiden anderen Reisesammler, Barthel Hunger und Christoph Rincke, schlugen eine andere Route ein; sie reisten am 26. Mai 1686 von Dresden ab, kamen zurück den 12. Oktober und bereisten nach ihrem vom folgenden Tag datierten Bericht in dieser Zeit 20 Provinzen, 10 kur- und fürstliche Residenzen, 4 Reichsstädte, überhaupt aber 65 große und kleine Städte und machten in Summa 293 Meilen. Auch ihr erreichtes Resultat war zwar reich an Vertröstungen aller Art, jedoch schwach an Fonds; jedenfalls werden auch sie mit einem Manko abgeschlossen haben (Berechnung liegt den Akten nicht bei), da sie überhaupt nur 149 Thaler vereinnahmten, eine Summe, zu welcher beitrugen: Magdeburg 6 Thlr., Quedlinburg 2 Thlr., Wolfenbüttel 11 Thlr. und nochmals 12 Thlr., Lippe 1 Thlr., Hamm 1 Thlr., der Kurfürst von Brandenburg bei seiner Anwesenheit in Wesel 100 Thlr., Amsterdam 10 Thlr., Lübeck 6 Thlr. So endete diese Almosensammlung im Auslande auf klägliche Weise. Besseren Erfolg hatten die Bittschriften, welche unterm 29. April 1686 an verschiedene [30] Stadtratskollegien und an 24 fürstliche Personen seitens des Rats zu Dresden erlassen wurden. Beispielsweise betrug der Sammlungsertrag in Leipzig 296 Thlr. 20 Gr. und die Beihilfe des Leipziger Rates 40 Thlr. Auch eine allgemeine Kirchenkollekte im Lande, zum Besten der Kirchen- und Schuldiener, ergab einen nennenswerten Ertrag. Noch ist zu bemerken, daß auf ein Bittgesuch der Kirchenvorsteher zu Alt-Dresden an den Kurfürsten (vom 20. Septbr. 1686) um Verleihung einiger, zu der auf dem Schloßturm bestandenen „Singe-Uhr“ gehöriger, jetzt aber abgenommener und im Gießhause stehender Glocken eine kurfürstliche Ordonnanz d. d. Leipzig den 6. Oktober 1686 erfolgte, welche den Kirchenvorstehern drei Glocken der Singeuhr, im Tone c, e und g stehend und zusammen ein Gewicht von 9 Ctnr. 71 Pfd. repräsentierend, zubilligte. Ganz allmählich erfolgte der Wiederanbau Alt-Dresdens; die schnellere Entwicklung des Stadtteils ist erst dem Könige August dem Starken zu verdanken, welcher teils selbst namhafte Bauten aufführen ließ, teils durch anderweite Baubegnadigung darauf hinwirkte.
Das königliche Patent über letztere (vgl. Cod. August. II, S. 1625) lautet, wie folgt: „Wir Friedrich Augustus von Gottes Gnaden, König in Pohlen etc. etc. Fügen zu wissen, demnach Uns die Bürgerschafft zu Alt-Dreßden allerunterthänigst vorgestellet, was maßen der Wiederaufbau dieser Anno 1685 durch entstandenen jählingen Brand eingeäscherten Stadt in solch Stocken gerathen, daß die Caducitäten anders nicht als durch ertheilende neue Begnadigungen überwunden und zum Wiederaufbau zu bringen seyn würden, daher selbige auch gehorsamst gebeten, Wir möchten zu Beförderung solchen An- und Wiederaufbau derer caducen Plätze, eine zehenjährige Befreyung ertheilen, und selbe, zumahl einige Auswärtige dieserwegen bereits Nachfrage gehalten, öffentlich zu iedermans erlangender Wissenschaft publiciren lassen. Gleichwie Wir nun selbst gerne sehen, daß der völlige Aufbau ermeldter Stadt, sowohl zur Zierde, als um Unsers eigenen hierunter versirenden Interresse willen, dereinsten zur Perfection gebracht werde; Also haben Wir auch in die gesuchte zehenjährige Steuer- Befreyung zu consentiren, kein Bedencken getragen, sondern thun vielmehr, krafft dieses offenen Briefes, iedermänniglichen die gnädigste [31] Versicherung, daß wer sich zur Annehmung einiger wüsten Plätze an besagtem Orte angeben, und sich zu derselben Bebauung anschicken wird, der oder dieselben durchgehends, von Zeit der Annahme an, von Abgabe aller Steuern, von denen auf solchen Plätzen hafftenden Schocken und Quatember = Quantis auf zehen Jahr gäntzlich befreyet, auch dargegen mit einiger anderen Versteuerung die gesetzte Zeit über in geringsten nicht beschweret werden sollen. Zu Uhrkund mit Unserm Steuer Secret besiegelt, und gegeben zu Dreßden, am 6. Julii, Anno 1714.“
Die Folge dieser Steuerbefreiung war, daß der Anbau der Neustadt sich schneller vollzog; die ältesten der heute noch stehenden Privat-Häuser sind das Eckhaus des Elbgäßchens, die Hausnummern 22 der Hauptstraße und 1 der Kasernenstraße. Die meisten der übrigen Bürgerhäuser gehören jener Steuerbegnadigungszeitperiode hinsichtlich ihrer Entstehung an. Um das Andenken an das traurige Brandereignis wach zu erhalten, wurde jährlich am 6. August oder an dem darauf folgenden Sonntag eine Brandpredigt abgehalten, auch soll die ungefähr 90 Jahre lang an dem kleinen Hause zunächst der Augustusbrücke angebracht gewesene Saturnusstatue, ein riesiges Sandsteinbildwerk, welches die Jahreszahl 1685 trug, zur Erinnerung an jenes Brandunglück aufgerichtet worden sein. Diese unter dem Namen „der Tod“ im Volksmunde bekannte, schwebend an jenes Hauses Ecke angebracht gewesene Statue, welche Hippe und Sanduhr trug, verschwand beim Abbruch des Hauses, an dessen Stelle sich gegenwärtig das Hotel Kaiserhof befindet."
- ↑ Anm. 15: Knothe, die Franziskanerklöster zu Löbau und Kamenz, in den Beiträgen zur sächs. Kirchengeschichte 1 (Leipz. 1882), S. 109.
- ↑ Anm. 16: ausgestrichen.
- ↑ Anm. 21: Die Bezeichnung Rhänitzthor ist eigentlich unrichtig, denn dieses Thor lag westlich vom Lausitzer Thor bei dem am Ausgange der Rhänitzgasse befindlichen Abdankeplatze und Rhänitzspital. Sowohl das Spital als auch das Thor gingen bei Anlegung der Festungswerke im dreißigjährigen Kriege verloren, vgl. Hasche, umständl. Beschr. Dresdens I, S. 513.
- ↑ Anm. 17: Kaitzbach, die mitten durch die Stadt floß.