Open Culture/ Kritik
Grundgedanke von Open Culture ist, dass immaterielle Güter, also Texte, Software, Musikaufnahmen und Videos, ohne nennenswerten Aufwand reproduziert werden können. Doch auch die Produktion derartiger Güter erfordert einen beträchtlichen Aufwand, nämlich erstmalige Erstellung, laufende Aktualisierung, Marketing, der oft den Aufwand bei materiellen Gütern übersteigt. Wenn die Produkte kostenlos zur Verfügung stehen, wer finanziert dann diesen Aufwand?
Ein Unternehmen investiert in neue Produkte oder Dienstleistungen nur dann, wenn die Aussicht besteht, Aufwand und Risiko abgedeckt zu bekommen und darüber hinaus einen Gewinn zu erzielen. Diese Einnahmen kommen heute überwiegend aus dem Verkauf, wobei KonsumentIn einen Stückpreis oder ein Nutzungsentgelt bezahlt. Dieser Anreiz motiviert zu Innovation, also in die Entwicklung neuer Produkte zu investieren, und zwar nicht nur in eventuell verzichtbare Konsumgüter sondern beispielsweise auch in neue Medikamente oder in Verkehrssicherheit. Wenn diese Einnahmequelle entfällt, wie könnten alternative Geschäftsmodelle aussehen?
Wie bereits im Kapitel "Definition" erwähnt, kommt das Ziel, Produkte kostenlos, also "frei im Sinne von Freibier" anzubieten, aus der Free Software Bewegung, der radikalen Form von Open Culture. Nach diesem Modell kommen Einnahmen erst aus Folgeaktivitäten wie der Beratung, Implementierung und Betrieb von Produkten, also aus der Anwendung des formalisierbaren freien Wissens auf konkreten Kundenbedarf. Können derartige Dienstleistungen den Entfall von Einnahmen aus dem Produktverkauf kompensieren?
Unsere volkswirtschaftlichen Modelle gehen davon aus, dass künftiger Wohlstand nur gewährleistet ist, wenn die Wirtschaft wächst. Aktuelle Statistiken weisen aus, dass erst etwa 15% der Weltbevölkerung den Status "gesicherter Wohlstand" erreicht hat. Wenn "Open Culture" tatsächlich zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung führt, wäre demnach der Wohlstand gefährdet. Allerdings gehen diese Modelle von traditionellen Indikatoren wie dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. Dieses misst aber nur die in Geld beglichenen Leistungen, also weder deren Nutzen noch unentgeltliche Leistungen, also gerade das nicht, was "Open Culture" bringt. Ganz abgesehen davon, dass Wohlstand und Glück nur wenig korrelieren. Welche Indikatoren wären in einer "Open Culture" denkbar?
Unsere gesellschaftlichen Modelle gehen davon aus, dass Arbeitslosigkeit ein Manko ist. Auch das heute wieder diskutierte Modell einer Grundsicherung setzt voraus, dass Irgendwer das Geld verdient, das umverteilt wird. Allein zur Kompensation der Rationalisierung ist ein Wirtschaftswachstum von über 2% erforderlich. Zusätzlich werden durch Globalisierung Arbeitsplätze in die aufstrebenden Staaten verlagert. Durch "Open Culture" werden weitere Arbeitsleistungen, wie zB Vermarktung, obsolet. Wie könnte ein entsprechendes Gesellschaftsmodell aussehen?
Zum Abschnitt „Begriffsdefinition“ sei angemerkt, dass noch offen ist, ob dieser Paradigmenwechsel tatsächlich weg von einem elitären System führt oder nicht neue Eliten schafft, die besseren Zugang zu den neuen Medien haben, mit diesen umgehen können, mit technischen und/oder demagogischen Mitteln eine bestimmte Meinung zur bevorzugten oder gar öffentlichen erklären. Wer hilft einfachen NutzerInnen, im exponentiell wachsenden Informationsangebot Wesentliches und Verlässliches von Schrott und Irreleitung zu unterscheiden? Open Culture setzt also Fitness in der Wissensgesellschaft voraus, so wie in der Erwerbsgesellschaft berufliche Fitness vorausgesetzt wird. Ist diese mangels Fähigkeit, Interesse oder Finanzierung nicht gegeben, entsteht Wissensproletariat („digital divide“). Das fördert Parallelgesellschaften von passiven KonsumentInnen, Arbeitslosen, AusländerInnen, samt zugehörigem Bedrohungspotenzial. Demnach wäre "Open Culture" ungerecht und undemokratisch, verhindert nicht die Ausbeutung. Welche Gegenargumente gibt es?
"Open Culture" bedeutet weder vom Begriff noch vom ursprünglichen Ziel her "Free Culture", sondern lediglich offenen Umgang mit den Bedeutungen kultureller Zeichen, im Sinne von Redefreiheit. In der Wissenschaft ist dieser Umgang selbstverständlich und äußert sich im Zitieren fremder Publikationen samt Quellenangaben. Doch auch Publikationen waren und sind nicht kostenlos, man denke an die oft exorbitanten Preise von Wissenschaftsjournalen oder Datenbanken. Diese "gemäßigte" Open Culture lässt angemessene Einnahmen, z.B. aus Lizenzen, zu. "Open" bedeutet lediglich die Pflicht zur Offenlegung der Quellen von Produkten, also bei wissenschaftlichen Texten die zitierte Literatur, bei Software des Sourcecodes, vergleichbar mit den Schaltplänen einer Torsprechanlage oder den Noten zu einer Musikaufnahme. Den Quellcode einer Software benötigen lediglich Experten, um die Software an eigene Anforderungen anpassen oder Fehler beseitigen zu können. Bei Unterhaltungsprodukten liegt der Wert weniger in den Quellen als in der Umsetzung derselben, also in der konkreten "Produktion" eines Unterhaltungsobjekts. Das "Downloaden" von Musik gibt es schon, seitdem es "Heim-Magnetophone" gibt, das "Downloaden" von Videos seit den Videorecordern. Doch erst durch Digitaltechnik und Personal Computer kommt es zu Umsatzeinbrüchen bei den ProduzentInnen bzw. VertreiberInnen. Technische Schutzmaßnahmen gegen Lizenzhinterziehung, wie zB Kopierschutz, können entweder leicht umgangen werden oder nur durch massive Eingriffe in die Freiheitsrechte des Nutzers realisiert werden. Wie können diese Probleme umgangen werden?
Die weltweite Rechtspraxis tendiert zu einer zeitlichen und inhaltlichen Ausdehnung von Urheberrechten (Copyright) und einer Ausweitung von Patentrechten (z.B. Software). Begründet wird dies damit, dass der einschlägige Markt ohne Schutz von geistigem Eigentum durch "free riding", also Nutzung ohne Gegenleistung, zusammenbrechen könnte. "Open Culture" argumentiert, dass Lizenzeinnehmen weniger der künftigen Innovation sondern eher der Rente aus früheren Innovationen dienen. Verlängerungen der Schutzrechte stehen außerdem im Widerspruch zur Verkürzung der "Halbwertszeit" der damit zu schützenden Produkte Wissen und Unterhaltung. Welche anderen Möglichkeiten gibt es, immaterielle Produkte und Dienstleistungen vor "free riding" zu schützen?
Zu: Wikipedia
[Bearbeiten]Unter „Gefahren / Probleme“ wurde schon angedeutet, dass ein Missbrauch des Mediums nicht auszuschließen ist. Allerdings wird ein Großteil der irreführenden Beiträge sehr schnell durch andere Beitragende richtiggestellt oder durch AdministratorInnen eliminiert. Schneller jedenfalls als bei jedem Druckwerk, bei dem sich oft erst nach Monaten oder gar Jahren herausstellt, dass es sich um Fälschung handelt. Dennoch gibt es inzwischen Restriktionen. Wie bei jedem neuen Medium folgt auf die freie Entfaltung eine Phase der freiwiligen Selbstbeschränkung, bevor es zu verbindlichen Regelungen kommt. Da das weltweite Netz keine nationalen Regeln akzeptiert und internationale Regeln meist einen Minimalkonsens darstellen, stehen die Chancen für Meinungsfreiheit recht gut. Gibt es Themen oder Behauptungen, deren Verbreitung im weltweiten Netz verboten sein sollen?
Offen bleibt das Problem der Finanzierung. Wie auch bei anderen kostenlos zugänglichen Informationen kommen die Einnahmen nicht von den KonsumentInnen, wenn man von spärlichen Spenden absieht. Viele AnbieterInnen, u.a. SuchmaschinInnen, finanzieren sich über Werbung, die nicht immer klar vom angefragten Informationsgehalt getrennt angeboten wird. Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es noch?
Zu: Okto
[Bearbeiten]Open source EntwicklerInnen beginnen ihr „Geschäft“ oft als Hobby. So ist es nicht erstaunlich, dass die Anfänge ausgerechnet aus einem Eisenbahnerklub kommen: Befriedigung aus der ästhetischen Nachbildung von Natur und Technik, aber auch aus dem Funktionieren des aus eigener Schöpfungskraft gestalteten Systems. Open Source Entwicklung findet aber auch im Rahmen von bezahlten „Normalarbeitsverhältnissen“ statt (mit oder ohne Zustimmung der Arbeitsgeber), als geringfügige Beschäftigung, als freier Dienstvertrag oder als Werkvertrag. Viele nutzen ihre dabei gewonnenen Erkenntnisse und Reputation für ihr berufliches Fortkommen. Nur Wenige entwickeln ausschließlich und auf eigene Faust und Rechnung Freie Software. Welche Leistungen erbringst du im Sinne von "Open Culture", mit welchem Ziel und mit welchem Aufwand?
Wenn zahlreiche Freiwillige zu "Open Culture" beitragen, so wohl wegen des Reizes am Neuen, wegen des Ärgers über verbockte Lösungen oder verzopfte Ansichten, um der Anerkennung Willen, oder auch nur aus dem Gefühl heraus, dass viele Menschen den eigenen Beitrag lesen oder zumindest lesen könnten, ohne dass man dabei Lampenfieber hat wie bei einem persönlichen Auftritt in der Öffentlichkeit, und ohne Aufwand und Kosten wie bei einer eigenständigen Veröffentlichung. Wie Leserbriefe oder Postings im Web. Die werden aber auch nur von einer Minderheit verfasst und – mit Ausnahme von „Brot und Spielen“ – auch nur von einer Minderheit wahrgenommen. Wie kann die Mehrheit eingebunden werden?
Prognosen einer "Open Culture"
[Bearbeiten]Wird sich unsere Tausch- und Geldkultur zur Gabenkultur rückentwickeln? Oder wird sie sich zu einer Gesellschaft entwickeln, in der Produkte und Dienstleistungen Allen, in reichlicher Auswahl, in hoher Qualität und frei zur Verfügung stehen. In der alle Bedürfnisse befriedigt sind. Alle??
Abgesehen von dieser Vision bleiben konkrete Fragen, welche Lebensbereiche, Berufe oder Branchen dafür geeignet sind, ob sich aus dieser, heute noch eher elitären Bewegung eine Massenbewegung entwickeln wird, wie z.B. die Umweltbewegung oder gar die seinerzeitige Arbeiterbewegung.
Und zuletzt bleibt die Frage: Was kommt nach Open Culture?