Rechte und Pflichten im Umgang mit der Polizei/ Widerstand gegen Polizeihandlungen
Zusammenfassung: Polizeimaßnahmen müssen zwar nicht unterstützt werden, man darf jedoch auch keinen aktiven Widerstand leisten. Gegen unrechtmäßige Polizeimaßnahmen ist eine Verteidigung im Rahmen des Notwehrrechts erlaubt.
Widerstand gegen rechtmäßige Polizeihandlungen
[Bearbeiten]Niemand muss die Polizei bei ihren Maßnahmen unterstützen, man darf ihnen jedoch auch nicht mit Gewalt oder Drohung von Gewalt Widerstand leisten (Zumindest solange die Polizei rechtmäßig handelt). Sonst drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren.
- §113 Abs. 1 StGB
„Wer einem Amtsträger […] bei der Vornahme einer […] Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Gewalt ist dabei eine Kraftäußerung, die sich nicht klar definieren lässt. Sie liegt bei jedem Schlag, Tritt o.ä. gegen den Beamten vor. Auch ein kräftiges (!) Loßreißen aus dem Griff des Polizisten fällt unter Gewalt; wenn der Griff jedoch so locker ist, dass man sich ganz leicht losreißen kann, ist dies kein besonderer Kraftakt und auch keine Gewalt (und damit auch keine strafbare Widerstandshandlung).
- OLG Dresten, Urteil vom 21.07.2014
„Die "Gewalt" als sehr weitgehender Blankettbegriff […] ist einzelfallabhängig ausfüllungsbedürftig. Auch wenn ein Sich-Losreißen aus einem Festhaltegriff den Gewaltbegriff […] erfüllen kann, erfordert es doch stets eine Kraftäußerung, die sich gegen die Person des Vollstreckenden richtet. Dies kann - abhängig von der Intensität des Festhaltegriffs - auch bei einem mit nicht unerheblichem Kraftaufwand erfolgten Entwinden aus dem Festhaltegriff der Fall sein. Ein bloßes Sich-Entziehen aus einem lockeren Griff genügt allerdings, ohne dass anderweitige Aktivitäten (Schläge, Stöße etc.) gegen den Vollstreckungsbeamten ersichtlich sind, nicht.“
Überraschend mag sein, dass sich Gewalt nicht direkt gegen den Polizisten richten muss; es reicht auch indirekt, solange sie vom Beamten körperlich spürbar ist. Hält man sich z.B. kräftig an einer Straßenlaterne fest und verhindert somit die Festnahme, kann dies auch als Widerstandshandlung angesehen werden. Daraus erwächst allerdings nicht die Pflicht, bei einer Festnahme "mitzugehen"; reines "Sitzenbleiben" ist keine Gewaltausübung (siehe Selbstbelastungsfreiheit).
- BGH, Urteil vom 05.01.2015
„Nach dem Schutzzweck […] muss die Gewalt gegen den Amtsträger gerichtet und für ihn - unmittelbar oder mittelbar über Sachen - körperlich spürbar sein“
- BVerfG, Urteil vom 23.08.2005
„Auch Handlungen, wie das Festhalten an Gegenständen […] und das Stemmen der Füße gegen den Boden […], mit denen eine Person ihr Verbringen an einen anderen Ort verhindern will, sind Widerstandshandlungen mittels Gewalt.“
Wenn man bei der Widerstandshandlung eine Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand mit sich führt, die Gewaltanwendung so heftig ist, dass das Opfer droht zu sterben oder ernste gesundheitliche Schäden davonträgt oder die Tat (also der Widerstand) gemeinschaftlich begangen wird, liegt ein besonders schwerer Fall vor. Dieser wird mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren geahdet.
- §113 Abs. 2 StGB
„In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
1. der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2. der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3. die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.“
Eine Waffe bezeichnet dabei alle Gegenstände, die dazu dienen, Verletzungen zu hinterlassen. Dass sind z.B. Pistolen, Messer, Schlagstöcke oder Reizgase (wie Pfefferspray).
- Definition Waffe
„Das sind alle Gegenstände, die gerade dazu bestimmt sind, auf mechanischem oder chemischem Weg einem Menschen körperliche Verletzungen beizubringen“
Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der nach Beschaffenheit und Art der Verwendung geeignet (also nicht zwangsläufig dazu bestimmt, sondern nur in der Lage) ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen.
- Definition gefährliches Werkzeug
„Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Verwendung konkret geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen“
Geeignet dazu ist nahezu jeder Gegenstand. So kann man mit fast allem zuschlagen und gefährliche Kopfverletzungen verursachen. Auch ein Strumpf ist gefährlich, da man mit diesem einen anderen z.B. strangulieren kann.
Wichtig ist daher der Punkt der konkreten Verwendung. Ein Strumpf, den man in der Hand hält, führt man als gefährliches Werkzeug bei sich. Hat man diesen Jedoch am Fuß, ist er in der konkreten Art seiner Verwendung nicht geeignet, diese Verletzungen hervorzurufen und somit kein gefährliches Werkzeug.
Zusammenfassend kann man sagen, dass fast jeder Gegenstand, der bei der Widerstandshandlung in der Hand des Täters ist ein gefährliches Werkzeug ist. Körperteile wie z.B. die Hand selber sind aber keine Werkzeuge und gehören somit nicht dazu.
Die ebenfalls strafbare "Drohung mit Gewalt" sollte klar sein. Ausrufe wie "Ich bring dich um!" oder "Das schreit nach Rache!" sind genauso Gewaltdrohungen wie "Das wirst du bereuen!" oder "Ich weiß, wo deine Familie wohnt!", Drohungen mit rechtlichen Konsequenzen ("Das gibt eine Anzeige!") dagegen nicht.
Widerstand gegen unrechtmäßige Polizeihandlungen
[Bearbeiten]Ist eine Polizeimaßnahme unzulässig, ist jedoch auch der Widerstand dagegen erlaubt, unabhängig davon, ob dem Betroffenen bekannt war, dass die Maßnahme unzulässig war oder nicht.
- §113 Abs. 3 StGB
„Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.“
Dies gilt jedoch mit Einschränkungen. So erlaubt nicht jeder kleine formale Fehler sofort ein Widerstand gegen die gesamte Maßnahme. Sind jedoch klar erkennbare rechtliche Voraussetzungen für eine Maßnahme nicht getroffen worden, so ist die gesamte Handlung rechtswidrig.
- BVerfG, Urteil vom 30.04.2007
„Es ist grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte […] von einem eingeschränkten Rechtmäßigkeitsmaßstab ausgehen und nicht verlangen, dass alle in dem jeweiligen in Bezug genommenen Rechtsgebiet normierten Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung erfüllt sein müssen. […] Werden von dem Amtsträger ohne Weiteres erkennbare rechtliche Voraussetzungen seiner Befugnisse nicht beachtet, überwiegt das in einem Rechtsstaat wichtige Interesse des Bürgers, darauf vertrauen zu dürfen, dass die Amtsträger die allgemeinen Anforderungen an ein rechtmäßiges Verhalten kennen und beachten. Werden entsprechende grundlegende rechtliche Anforderungen an Grundrechtseingriffe verletzt, darf der auf die Möglichkeit zur Ausübung seines Grundrechts gerichtete Widerstand des Grundrechtsträgers gegen die Diensthandlung […] nicht nach § 113 Abs. 1 StGB mit einer strafrechtlichen Sanktion geahndet werden.“
Beispiel (siehe für genauere Informationen Kapitel Ausweispflicht):
Ein Polizist fordert Herrn K dazu auf, ihm den Ausweis vorzuzeigen. Ein Grund dafür ist nicht klar ersichtlich und der Polizist weigert sich beharrlich, eine Begründung abzugeben. Er will Herrn K festnehmen, dieser wehrt sich.
Da die Begründung der Identitätsfeststellung eine Voraussetzung für deren Rechtmäßigkeit ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.05.2012), ist die Maßnahme durch dessen Ausbleiben unrechtmäßig und der Widerstand nicht verboten.
Ähnlich sieht es bei falschen Belehrungen aus: Wird man nicht (rechtzeitig) oder falsch über seine Rechte bzw. den Ermittlungsgegenstand belehrt, ist die darauf folgende Maßnahme unrechtmäßig und daher auch ein Widerstand erlaubt, wenn die Polizei versucht die Maßnahme mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen.
- OLG Celle, Urteil vom 23.07.2012
„Die fehlerhafte […] Belehrung des Angeklagten muss demnach zur Rechtswidrigkeit der maßgeblichen Diensthandlung führen“
Wenn man jedoch davon ausgeht, eine Diensthandlung sei unrechtmäßig und man sich dagegen wehrt, obwohl diese im Nachhinein für rechtmäßig befunden wurde, kann die Strafe u.U. gemildert oder ganz weggelassen werden. Nur wenn der Irrtum nicht vermeidbar oder ein Rechtsbehelfen nicht zumutbar war, kann er nicht bestraft werden. Ein Irrtum ist nicht vermeidbar, wenn der Betroffene trotz Nachfrage und genauer Prüfung der Umstände nicht zu der Erkenntnis kommen konnte (!), dass diese rechtmäßig war. Dies liegt z.B. vor, wenn die Polizei nicht als solche zu erkennen ist oder dem Betroffenen nicht die entsprechende Rechtsgrundlage genannt wird.
- §113 Abs. 4 StGB
„Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe […] mildern […] oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe […] mildern […] oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.“
Unabhängig von allem oben genannten ist der Widerstand nur im Rahmen des Notwehrrechts erlaubt (Sonst wäre es zwar kein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, aber womöglich eine Körperverletzung o.ä.). Zu beachten ist dabei, dass die Handlungen erforderlich und geboten sein muss.
- §32 StGB
„(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“
Eine genaue Einführung in das Notwehr-und Notstandsrecht führt hier zu weit, jedoch ist der dazugehörige Wikipediaartikel sehr umfassend aufgebaut.