Bisher haben wir bereits den Begriff der Entropie über die statistische
Mechanik eingeführt und dafür wie in der Thermodynamik gefordert,
dass diese (zumindest für ein »mechanisch« abgeschlossenes System
in Form eines mikrokanonischen Ensembles) im Gleichgewicht ein Maximum
anstrebe, weil dann auch die Anzahl der möglichen Zustände des betrachteten
Systems maximal wird, was wiederum (aufgrund von Erfahrungen bzw.
Beobachtungen) als am wahrscheinlichsten angesehen wird. Die Forderung
der Thermodynamik, dass die Entropie eine additive Größe ist, übernehmen
wir gleichermaßen: Unterteilen wir ein System in zwei Untersysteme
1 und 2, dann gilt im mikrokanonischem Ensemble für die Energien
,
die Volumina
und die Teilchenzahlen
,
(da sie selbst additive bzw. »extensive Größen« sind), weil diese
zwar in den beiden Untersystemen unterschiedliche Werte annehmen können,
sich jedoch in ihrer Summe wieder eine konstante Gesamtenergie E,
ein konstantes Gesamtvolumen V und eine konstante Gesamtteilchenzahl
N ergeben müssen. Dass die Entropie eine additive bzw. »extensive«
Größe sein soll, würde dann folgendes bedeuten:
,
worin wir mehrfach Boltzmanns Entropieformel verwendet haben, wobei
die Anzahl der Zustände des
Gesamtsystems und
bzw. die
Anzahl der Zustände in den Teilsystemen 1 bzw. 2 sein sollen. Hieraus
können wir also folgern, dass die Anzahl der Zustände des Gesamtsystems
gleich dem Produkt der Anzahl der Zustände der beiden Teilsysteme
ist:
,
was wir auch aufgrund unserer Erfahrungen »anschaulich« vermutet bzw.
gefordert hätten. Wählen wir jetzt die beiden Systeme gleich groß,
d.h. gilt ,
und , dann sind die drei Erhaltungssätze
weiterhin erfüllt und wir bekommen
bzw.
.
Wir haben aber unser Gesamtsystem bei der Konstruktion des mikrokanonischen
Ensembles bereits als so einheitlich, d.h. »homogen«, aufgebaut angesehen,
dass wir wegen
die Indizes 1 bzw. 2 am der Teilsysteme offensichtlich
fallen lassen können:
,
d.h. mittels der Boltzmann-Formel erhalten wir daraus
.
Im mikrokanonischen Ensemble ist die additive bzw. extensive Größe
Entropie wiederum eine Funktion »extensiver« Größen, sodass nach dem
soeben
Gezeigten in einem homogenen System allgemein
gelten muss, worin einen beliebigen (reellwertigen)
Multiplikator darstellt (und damit wie oben z.B. auch gleich 0,5 sein
darf). Die Entropie ist im mikrokanonischen Ensemble somit eine sog.
homogene Funktion erster Ordnung, da sie linear in
ist. Diese Gleichung leiten wir jetzt auf beiden Seiten nach jener
Variablen ab:
und setzen anschließend :
.
Diese eigentümliche Beziehung zwischen der Entropie im mikrokanonischen
Ensemble und ihren gleichermaßen extensiven Variablen enthält jedoch
noch zusätzlich partielle Ableitungen, für die folgendes gilt:
,
,
,
in denen sich also ein Faktor einfach herauskürzt.
Sie sind daher homogene Funktionen nullter Ordnung und werden als
»intensive Größen« bezeichnet.
Statt von der Entropie hätten wir auch von der Energie ausgehen können:
.
Für ein homogenes System hätten wir dann analog
mit den gleichermaßen intensiven Größen
erhalten. Hieraus können wir offensichtlich durch Umstellen wieder
die Formel für die Entropie erhalten:
.
In der Thermodynamik werden als gleichermaßen intensive Größen die
Temperatur T, der Druck P und das chemische Potenzial
eingeführt, so dass sich die innere Energie zu
ergibt. Diese Gleichung heißt »Euler-Formel«. Identifizieren wir diese
innere Energie aus der Thermodynamik mit der Energie E des Systems
im mikrokanonischen Ensemble, dann erhalten wir folgende Zusammenhänge
zwischen den partiellen Ableitungen von E:
und daraus für jene zwischen den partiellen Ableitungen von S:
.
Für das totale Differenzial der inneren Energie muss somit z.B.
gelten. Wären wir von einem homogenen, aber mehrkomponentigen System
ausgegangen, d.h. von einem System, das aus mehreren (z.B. k)
Teilchensorten mit im Allg. unterschiedlichen Anzahlen
besteht, dann würden sich die Überlegungen rund um die Euler-Formel
wiederholen, wobei letztere dann aber folgende Gestalt annähme:
.
Ihr totales Differenzial verallgemeinert sich dabei entsprechend zu
.
Für die weiteren Betrachtungen kommt aber erschwerend hinzu, dass
die Differenziale
nicht mehr voneinander unabhängig sein können, weil ihre Gesamtsumme
konstant bleiben muss, d.h.
gelten soll, und somit
gültig ist. Hauptsächlich wegen dieser zusätzlichen Schwierigkeit
beschränken wir uns in diesem Kapitel wie bisher auf nur einkomponentige
Systeme.
Aus der inneren Energie lassen sich mittels Ableitungen folgende Größen
gewinnen:
,
und
,
was aus folgendem Vergleich der totalen Differenziale für die innere
Energie folgt:
.
Wegen der Vertauschbarkeit der partiellen Ableitungen der thermodynamischen
Potenziale gibt es z.B. noch folgende Beziehungen zwischen ihnen,
die sog. »Maxwell-Relationen«:
.
Statt die gewöhnungsbedürftige Entropie als Variablen zu verwenden,
ist es oft praktischer von der einfacher zu messenden Temperatur auszugehen.
Hierzu tauschen wir im totalen Differenzial der inneren Energie U
das Differenzial der Entropie folgendermaßen durch ein Differenzial
der Temperatur aus:
,
was (etwas umgestellt) zu einem neuen totalen Differenzial führt:
.
Die neue Größe heißt »freie
Energie« und ist wie U ein sog. thermodynamisches Potenzial. Im
Gegensatz zur inneren Energie U sind seinen sog. »natürlichen
Variablen« T, V, N, d.h. F ist wie beabsichtigt u.a.
eine Funktion der Temperatur T statt wie U eine Funktion der
Entropie S.
Aus der freien Energie lassen sich mittels Ableitungen folgende Größen
gewinnen:
,
und
,
was aus folgendem Vergleich der totalen Differenziale für die freie
Energie folgt:
.
Aus der Vertauschbarkeit der partiellen Ableitungen der thermodynamischen
Potenziale ergibt sich z.B. die Maxwell-Relation
.
Manchmal ist es aber günstiger, ein thermodynamisches Potenzial als
Funktion des Drucks statt des Volumens zu haben, d.h. wir verwenden
in der Gleichung für die innere Energie U:
,
was zum totalen Differenzial der sog. »Enthalpie«
führt:
.
Aus der Enthalpie lassen sich mittels Ableitungen folgende Größen
gewinnen:
,
und
,
was aus folgendem Vergleich der totalen Differenziale für die Enthalpie
folgt:
.
Aus der Vertauschbarkeit der partiellen Ableitungen der thermodynamischen
Potenziale ergibt sich z.B. die Maxwell-Relation
.
Insbesondere in der Chemie betrachtet man aber gerne Systeme, in denen
Temperatur und Druck vorgegeben werden, was nach dem bereits bewährten
Verfahren zum totalen Differenzial der sog. »freien Enthalpie oder
dem Gibbspotential«
führt:
.
Aus der freien Enthalpie lassen sich mittels Ableitungen folgende
Größen gewinnen:
,
und
,
was aus folgendem Vergleich der totalen Differenziale für die freie
Enthalpie folgt:
.
Aus der Vertauschbarkeit der partiellen Ableitungen der thermodynamischen
Potenziale ergibt sich z.B. die Maxwell-Relation
.
Wenden wir in der Gleichung für das Gibbspotenzial zudem noch die
Euler-Formel für U, d.h.
,
an, dann erhalten wir für G erstaunlicherweise:
.
D.h. für unser einkomponentiges System ist das chemische Potential
nur noch eine Funktion der intensiven Variablen T und P jedoch
nicht mehr von der Teilchenzahl N, weil G wie die innere Energie
U homogen vom Grad 1 ist:
,
was mit zu
wird, d.h. es gilt .
Beim »Großkanonischen Potenzial«
wird in der freien Energie zusätzlich noch mittels
bei den natürlichen Variablen die Teilchenzahl durch das chemisches
Potential ersetzt:
.
Aus dem großkanonischen Potenzial lassen sich mittels Ableitungen
folgende Größen gewinnen:
,
und
,
was aus folgendem Vergleich der totalen Differenziale für großkanonische
Potenzial folgt:
.
Aus der Vertauschbarkeit der partiellen Ableitungen der thermodynamischen
Potenziale ergeben sich z.B. die Maxwell-Relationen
,
.
Verwenden wir im großkanonischen Potenzial zudem noch die Euler-Formel
für U, dann vereinfacht es sich zu
,
was zum Bestimmen von Zustandsgleichungen sehr praktisch ist.
Bilden wir hiervon das totale Differenzial, dann ergibt sich
.
Daraus erhalten wir für die Maxwell-Relation
.
Wie die innere Energie U sind auch all diese weiteren thermodynamischen
Potenziale homogen vom Grad 1, d.h. extensive Größen, wovon man sich
leicht mit Hilfe ihrer Definitionen überzeugt. Denn neben U enthalten
sie immer Summanden bestehend aus einem Produkt einer intensiven Variable
() mit einer extensiven Variablen (),
wie z.B. . Die thermodynamischen
Potenziale gehen übrigens mittels Legendre-Transformationen auseinander
hervor, über die in der Mechanik gleichermaßen Hamilton- und Lagrangefunktionen
miteinander zusammenhängen.
Neben der Euler-Gleichung
gibt es zudem noch eine sog. »Gibbs-Duhem-Gleichung«. Diese erhalten
wir, indem wir das totale Differenzial von der Euler'schen Formel
bilden,
,
und anschließend hiervon die bereits vorgestellte Gleichung
abziehen, was
ergibt. Diese Gleichung zeigt, dass die totalen Differenziale der
intensiven Variablen nicht unabhängig voneinander sind.