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Tarot/ Geschichte/ In den Händen der Okkultisten

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In den Händen der Okkultisten

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"Der Gehängte" aus dem Tarot von Antoine Court de Gébelin

Irgendwann zu Beginn der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schlendert ein Pastor der Hugenotten, der sich sehr stark für antike Sprachen interessiert und von einer gemeinsamen, babylonischen Ursprache überzeugt ist, durch die Pariser Salons und wird dabei auf ein paar Damen aufmerksam. Diese sind in ein Kartenspiel vertieft. Sofort ist er fasziniert von diesem Spiel, weil er glaubt, das gefunden zu haben, was er gesucht hat: ein symbolisches Uralphabet der Menschheit. Das Spiel war natürlich ein Tarotspiel und der Pastor war Antoine Court de Gébelin. Wie schon weiter oben berichtet, war de Gébelin der Meinung, dass der Tarot aus dem alten Ägypten kam und interpretierte dahingehend den Namen Tarot als ägyptisches Wort für "königlichen Weg". Von der Geschichte der Bibel ausgehend, die die Hebräer aus Ägypten ausziehen lässt, glaubte er, dass die hebräische Sprache mit der ägyptischen verwandt sei. (Damals waren die Hieroglyphen noch nicht entziffert.) Er brachte die Große Arcana mit den hebräischen Buchstaben und damit mit der Kabbala in Verbindung und formte somit aus dem Gesellschaftsspiel ein Werkzeug für die esoterische und mystische Beschäftigung.

De Gébelin zeichnete auch selber einen Tarot, der später in Papus Werk "Der Tarot der Zigeuner" abgebildet wurde. Seine Darstellung wurde aber für die kommenden Spiele nicht verbindlich. Interessant ist zu erwähnen, dass er den Gehängten umkehrte und dieser nicht mehr auf dem Kopf stand.

Gleichzeitig oder etwas früher begann Jean François Alliette, der sich selber Etteilla nannte, den Tarot für die Divination zu verwenden. Er ist der erste, von dem belegt ist, dass er seinen Lebensunterhalt mit der Wahrsagerei durch den Tarot bestritten hat. Ob der Tarot vor ihm auch schon zur Wahrsagerei verwendet worden ist, ist nicht belegt, lässt sich aber auch nicht ausschließen. 1788 gründete Alliette die Vereinigung der Deuter des Buches von Thot, einen Klub, der sich mit der Divination des Tarots befasste. Auch Etteilla zeichnete einen eigenen Tarot, der in der Darstellung aber noch mehr vom klassischen Tarot abwich. Er unterteilte den Tarot nicht mehr in Trümpfe und Augenkarten und nummerierte die Karten komplett von 1 - 78 durch. Damit wich er auch von der klassischen Darstellung ab und entwickelte im Grunde genommen ein völlig eigenes Kartenspiel, das bis auf den Namen und die Anzahl der Karten mit dem Tarot nicht viel gemein hatte. Aus genannten Gründen hat er auch weniger die Tarots nach ihm beeinflusst, dafür aber umso mehr die Tradition der Lenormandkarten. Diese Tradition lässt sich durch Marie Anne Lenormand, die mit dem sogenannten "Grand Etteilla Tarot" Kartomantie betrieben hat, direkt auf Etteilla zurückführen. Auch die späteren Okkultisten nahmen Etteilla nicht sehr ernst und haben ihn mehr oder weniger verspottet. Trotzdem hatte Etteilla sehr starken Einfluss auf die Verwendung des Tarots als Wahrsageinstrument, was die mehr der Kabbala zugewandten Autoren oft abgelehnt haben. Und trotz der Missachtung und Verspottung von Etteillas Veränderungen des Tarots hat eine seiner Veränderungen doch noch Einzug in die "klassischen" Tarots gefunden - nämlich die Verknüpfung der Karten mit der Astrologie.

Der nächste große Name in der Geschichte des Tarots ist Eliphas Levi, der nicht nur die Geschichte des Tarots stark prägte, sondern die Geschichte des Okkultismus, der Magie und der Esoterik ganz allgemein. Allerdings sind diese jeweiligen Einflüsse nicht von einander zu trennen, war doch für Eliphas Levi der Tarot das Initiationsbuch in alle okkulten Künste. Außerdem war er der Meinung, dass, wenn ein völlig ungelehrter Mensch auf einer einsamen Insel stranden würde und hätte nichts bei sich außer eines Tarots, so würde er nach einiger Zeit in alle Geheimnisse, Künste und Philosophien der Welt eingeweiht sein. Kurzum: Eliphas Levi führte schlicht alles auf den Tarot zurück, zwängte alles in den Tarot und formte alles nach dem Tarot. Mit Eliphas Lévi wurde der Tarot in den nach ihm folgenden Orden und Logen zur Grundlage ihres Schaffens. So verwundert es nicht, dass die magische Praxis heute einen Stab, einen Kelch, ein Schwert und eine Scheibe als grundlegende Werkzeuge verwenden. Selbst seine Bücher ordnete Eliphas Lévi dem Tarot unter. So hat z.B. "Ritual und Dogma der Hohen Magie" 2 mal 22 Kapitel, in denen er 22 Teilbereiche der Magie unterscheidet und sie den Tarotkarten zuordnet. Beispielsweise erläutert er im ersten Kapitel (der Magier) die Grundlagen der Magie, im 15. Kapitel (der Teufel) die schwarze Magie, im Kapitel 17 (der Stern) die Astrologie usw.

Für all diese Spekulationen blieb im Grunde genommen der Tarot aus der Marseiller Tradition grundsätzliches Schema, da weder die Veränderung durch de Gébelin noch die durch Etteilla großen Anklang fanden. Selbst der Tarot, der Lévis Schüler Stanislas de Guaita in Zusammenarbeit mit seinem Schüler Oswald Wirth herstellt, weicht nicht grundsätzlich von der Marseiller Tradition ab. Die Bilder werden einzig mit etwas mehr esoterischen Symbolen angereichert und der Teufel entwickelte sich etwas mehr in Richtung Baphomet, wie ihn Lévi dargestellt hat. Dies ist aber immer noch innerhalb der Tradition der Marseiller Spiele möglich. Und nachdem Lévi den Tarot mit fast allem, was ist und nicht ist, verknüpft hatte, wurde auch nicht mehr viel Neues zum Tarot hinzugetan. Die Geschichte des Tarots galt als erkannt - der ägyptisch/hebräische Hintergrund galt als sicher und im Großen und Ganzen verblieb der Tarot in einem kleinen Kreis, während Lenormand-, Kipper- und Zigeunerkarten längst in ganz Europa als Wahrsagekarten verbreitet waren. Dies änderte sich erst, als 1909 ein neuer Tarot erschien, schlicht "Tarot Deck" genannt, und vom Londoner Verlag Rider&Son herausgegeben. In einer Werbekampagne wurde der Name der Künstlerin erwähnt: Pamela Colman Smith. Ein Jahr später erschien im gleichen Verlag ein Buch zu diesem Tarot "The Key to the Tarot", welches ab der nächsten Auflage aus dem Jahre 1911 den Titel "The Pictorial Key to the Tarot" - "Der Bilderschlüssel zum Tarot" – heißt, der Autor war Arthur Edward Waite.


Der Tarot weicht von allen anderen esoterischen Traditionen ab, aber ohne so große Sonderwege wie Etteilla zu gehen. Die Bilder der Großen Arcana sind viel feiner und detaillierter gezeichnet als in der vorhergehenden Tradition. Sie weichen vom klassischen Spielkartenstil ab und sind in prä-raffaelitischem Stil gehalten, und einige Bilder weichen stark von der Marseiller Tradition ab. "Der Magier" war nicht mehr ein Gaukler auf einem Markt, der Taschenspielertricks vollführte. Die Karte "Die Liebenden" stellte nicht mehr einen Jüngling dar, der sich zwischen zwei Frauen entscheiden muss, sondern einen Mann und eine Frau und einen Engel über ihnen, der auch nicht mehr Amor war, sondern segnend die Hände über sie ausstreckte usw. Und auch die Reihenfolge war nicht mehr dieselbe. Die Karten "Die Kraft" und "Gerechtigkeit" wurden vertauscht, so dass nun die Kraft die achte, die Gerechtigkeit die elfte Karte war. Vor allem aber war die kleine Arcana wie vorher nur das relativ unbekannte Sola-Busca-Tarot illustriert, zeigte nicht mehr bloß die Farben in ihrer Anzahl, sondern lebendige Szenen, comicstilhafte Bilder, die eine assoziative Interpretation zulassen. Und auch die Interpretationen in Waites Buch weichen von der dogmatisch gewordenen Gleichsetzung der Kabbala mit dem Tarot ab, und auch der ägyptische oder hebräische Ursprung wird verworfen. Waite hat richtig erkannt, dass die Symbolik der Großen Arcana nur durch die Gesellschaftsstruktur und das Weltbild des Mittelalters erklärt werden kann. Er bringt den Tarot in Verbindung mit den Katharrern, aber auch mit den Rosenkreuzern und sieht darin die Einweihungsmysterien in die Rosenkreuzerischen Grade.

Aber die Veränderung der Großen Arcana, die korrektere Darstellung der Geschichte und die Verschiebung zweier Großer Arcana sind nicht der Grund, warum dieser Tarot einer der wichtigsten der Geschichte ist und selbst heute noch von all den Tarots, die verkauft werden, unangefochten der meistverkaufte ist. Es ist die Kleine Arcana, die vorher kaum oder gar keine Beachtung fand, die durch die Illustration plötzlich zu einem wichtigen Bestandteil wurde und wie geschaffen für die Divination war. Dadurch wurde ein Publikum erschlossen, das vorher mit dem Tarot nichts zu tun hatte und mit Lenormand-, Kipper- oder Zigeunerkarten arbeitete. Die Illustrationen waren es, die Kartenlegen und Tarot zu synonymen Begriffen werden ließen, wodurch der Tarot andere Orakelkarten an den Rand drängte.

Einige Fragen sind beim Rider-Waite, so der geläufige Name dieses Spiels, ungeklärt. Der Name Rider-Waite lässt sich wohl hauptsächlich auf das Buch von A.E. Waite zurückführen, oft aber hat man die Künstlerin Pamela Colman Smith damit in den Hintergrund gedrängt, und man nahm an, dass der Tarot hauptsächlich auf Waite zurückging und das Colman Smith nur ausführende Funktion hatte. Ist dies haltbar oder müssten die Karten eigentlich korrekt Rider-Colman-Smith heißen?

Die Karten wurden 1909 veröffentlicht. In den Jahren vorher (1904 - 1909) befand sich Pamela Colman Smith in New York, Arthur Edward Waite aber in England. In den Rechnungen der Firma Rider&Son taucht nur der Name Pamela Colman Smith auf. Man nimmt gemeinhin an, dass Arthur Edward Waite der Ideengeber war und Pamela Colman Smith bloß Künstlerin. Lässt sich das halten? Schon in ihrer Kindheit hatte Pamela Colman Smith durch ihre Mutter Kontakt zu esoterischen Kreisen. Sie war auch selber in den "Order of the Golden Dawn" eingeweiht und kannte daher wohl auch die Grundlagen des esoterischen Weltbildes. Und Ernst Tristan Kurtzahn gab Pamela Colman Smith und Dr. Dr. Wynn-Westcotts, einen der Mitbegründer des "Order of the Golden Dawn", als Urheber des Tarots an - und nicht Arthur Edward Waite.

Es gibt zwar keine Fakten, aber es scheint, als wäre Waite in die Entstehung des Rider-Colman-Smith-Tarot weniger involviert als gemeinhin angenommen.

Mit dem Rider-Waite-Tarot, das wir der Einfachheit halber und der Bekanntheit wegen trotzdem weiter so nennen werden, und der in dieser Zeit stark aufblühenden Esoterikszene wurde der Tarot schnell in alle Welt verbreitet. In den USA veröffentlicht Paul Foster-Case 1916 eine grundlegende Schriftenreihe über den Tarot, später auch einen eigenen Tarot, der zur Grundlage des Initiationsordens der "Buliders of the Adytum" wurde. 1920 veröffentlicht Ernst Tristan Kurtzahn in Deutschland das erste deutschsprachige Buch über den esoterischen Tarot, zusammen mit einem Tarot, der an den Tarot von Papus angelehnt ist. Ab 1930 beginnt Oskar Rudolf Schlag spiritistische Sitzungen, bei denen der Tarot stets die Grundlage bildet (die aber erst ab 1998 veröffentlicht wurden). Im Jahre 1941 wird ein Buch namens "Das Buch Toth" veröffentlicht, von einem Herrn namens Edward Alexander Crowley, besser bekannt als Aleister Crowley oder das "Große Tier". In diesem Buch befinden sich neben einer systematischen Abhandlung über den Tarot auch Bilder der Tarotkarten, gestaltet von Lady Frida Harris.

Der Tarot, den Lady Frida Harris in Zusammenarbeit mit Aleister Crowley gezeichnet hat, geht wieder einen ganz eigenen Weg. Vom Stil her ist er dem Expressionismus zuzuordnen; er ist sehr farbenprächtig und überladen mit esoterischen Symbolen aller Arten. Die kleine Arcana zeigt zwar wiederum nur die Farbe in einer geometrischen Anordnung, aber durch die sehr ausdrucksstarke Farbgestaltung und das teilweise Miteinbinden von Hintergrundbildern sind die Karten ebenso geeignet für eine divinatorische und etwas freiere Assoziation. Die Bedeutung einiger Karten wurde zudem stark verändert. Die Karte Kraft stellt im Crowley-Tarot nicht mehr eine Zähmung des Löwen dar, sondern, betitelt mit dem Namen Lust, das unbändige Ausleben der Kraft. Das Motiv ist stark an die Hure Babylon und das 10-köpfige Tier in der Johannesapokalypse angelehnt, ein Motiv, dass in Crowleys Mystik eine sehr starke Rolle spielt. Am radikalsten aber und auch am nachhaltigsten wurde die Karte "Das Gericht" verändert und heißt beim Crowley-Tarot "Das Äon". Sie stellt nicht mehr eine Wiederauferstehung dar, sondern den Gott Ra-Hoor-Khuit[1], der nach Crowley der Gott des neuen Äons sein soll.

1969 wurde der Crowley-Tarot in Kartenform veröffentlicht. Seit dieser Zeit ist der Tarot in aller Munde.

  1. Zumindest nach Aleister Crowley. In der ägyptischen Ikonographie aber wird Hor-Par-Chered (Haropkrates), Horus, das Kind, so dargestellt, wie dies auf der Karte "Das Äon" zu sehen ist, und nicht Re-harachte, der zudem mit Falkenkopf dargestellt wird.