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Verwaltungsrecht in der Klausur/ Die Fälle / Fall 1

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§ 2 Übungsfälle zur Anfechtungsklage

Fall 1: Anfechtungsklage bei einer Ordnungsverfügung nach der polizeirechtlichen Generalklausel

Autorin der Ursprungsfassung ist Tanja Kernchen

Dieser Fall ist unter der Creative-Commons-Lizenz BY-SA 4.0 offen lizenziert.


1 Der Fall ist angelehnt an den Beschluss des VG Berlin vom 14.4.2011, Az.: 13 L 50.11.

2 Lernziele/Schwerpunkte: Anfechtungsklage, Fristberechnung, Polizei- und Ordnungsrecht, Wechsel der Rechtsgrundlage durch Widerspruchsbehörde, Zustandsverantwortlichkeit, Auswahlermessen

Sachverhalt

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3 Die K-GmbH (K) ist Eigentümerin eines 50.000 m² großen Grundstücks in Berlin-Pankow, auf dem sich ein historisches Stadion befindet, das zuletzt zur Zeit der DDR betrieben und gepflegt wurde. Die K möchte das Grundstück so bald wie möglich verkaufen, jedoch hat sich noch kein Interessent für das Grundstück gefunden. Der letzte Interessent hat nach einem Besuch des Grundstücks von dem Kauf abgesehen, weil die sich auf dem Grundstück befindenden Gebäude baufällig sind und sich in einem einsturzgefährdeten Zustand befinden. Der Kaufpreis stünde nicht im Verhältnis zu den Investitionen.

Das örtlich zuständige Bezirksamt Pankow errichtet im Sommer 2018 in rechtmäßiger Weise auf einem östlich benachbarten bezirkseigenen Grundstück einen Radweg entlang der Grundstücksgrenze zum Grundstück der K. Hierzu entfernt das Bezirksamt die Einfriedung auf dem bezirkseigenen Grundstück zum Grundstück der K.

Der Radfahrer R freut sich sehr über den neu eingerichteten Fahrradweg, da er so schneller in die Innenstadt zur Arbeit kommt. Zuvor musste er immer einen großen Umweg fahren, auf dem der Autoverkehr morgens und abends die Straßen blockiert und er sich nicht sicher fühlt. Mit dem neuen Fahrradweg muss er sich für den Teil der Strecke wegen eines zu hohen Verkehrsaufkommens keine Sorgen mehr machen. Auch der Fotograf F freut sich über den Fahrradweg, da aufgrund der Entfernung der Einfriedung das Grundstück der K nun frei zugänglich ist. Die alten Gebäude eignen sich für seine Fotografie-Projekte, für die er vorher immer durch einen Zaun klettern musste. Als er das letzte Mal auf dem Grundstück war, sah er auch Jugendliche und auch jüngere Kinder, die den freien Zugang zum Grundstück nutzen, um in den alten Gebäuden Fotos von sich zu machen. An einem Morgen sieht R, wie F und die Jugendlichen auf das Grundstück verschwinden und macht sich Sorgen. Zwar sind auf dem Fahrradweg keine Autos, aber durch die nun offene Grundstücksgrenze könnten doch Personen auf das Grundstück der K gelangen, auf dem viele einsturzgefährdete Gebäude stehen. An den Gebäuden sind eine Vielzahl von Graffiti-Schmierereien zu erkennen sowie an einigen Stellen Müllablagerungen mit leeren Flaschen alkoholischer Getränke. R sieht sich verpflichtet, dem Bezirksamt von seinen Beobachtungen zu erzählen.

Der zuständige Sachbearbeiter stimmt R zu und erlässt gegen K am 1.8.2018 ohne vorherige Anhörung folgende Anordnung, die am 3.8.2018 bei der K eingeht:

„Aufgrund von § 58 I BauO Bln wird angeordnet, dass Sie ihr Grundstück mit allen sich auf ihm befindlichen Gebäuden und baulichen Anlagen sichern. Bevorzugt wird diesbezüglich eine Gesamteinzäunung an der Grenze zum neu errichteten Fahrradweg.

[Es folgt eine ordnungsgemäße Begründung]

Die Sicherung ist bis spätestens ab Bestandskraft dauerhaft und wirkungsvoll zu gewährleisten.

Für den Fall, dass Sie der Anordnung nicht innerhalb der Frist Folge leisten, wird die Ersatzvornahme in Form der Errichtung und Instandhaltung eines Zaunes durch eine beauftragte Firma angedroht.

[Von einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung ist auszugehen.]

K sieht nicht, was das Problem sei. Schließlich habe das Bezirksamt die Öffnung zu verantworten, sodass K gar keine Handlungspflichten treffe. Daher legt sie gegen die Anordnung am 16.8.2018 Widerspruch ein, der einen Tag später beim Bezirksamt eingeht. Erst durch die Einrichtung des Fahrradweges wurden die Öffnung zum Grundstück und die damit einhergehende Gefahr für unbefugte Dritte geschaffen. Hinzu kommt, dass sie doch das Opfer der ganzen Situation sei, da Unbefugte ihr Grundstück betreten. Außerdem sei sie nicht mehr in Anspruch zu nehmen, seitdem sie das Grundstück am 5.8.2018 an den Kaufmann M weitervermietet habe. Er sei, wenn überhaupt, vielmehr in Anspruch zu nehmen und nicht mehr sie. Zudem wären weder sie noch der M zu der ganzen Sache einmal vorher angehört worden. Dies sei nicht mit einem rechtsstaatlichen Verfahren vereinbar. Auch versteht sie nicht, was genau nun gesichert werden solle.

Die zuständige Widerspruchsbehörde erlässt auf den Widerspruch am 17.9.2018 den folgenden Widerspruchsbescheid, der bei der K mittels Einschreiben durch Übergabe am 18.9.2018 zugeht:

„[…]

Die rechtmäßige Maßnahme beruht auf § 17 I ASOG. Dass die Anordnung vom 1.8.2018 zunächst auf § 58 I BauO Bln gestützt wurde, ist unerheblich, da die Voraussetzungen von § 17 I ASOG ebenfalls erfüllt sind.

[Es folgt eine ordnungsgemäße Begründung.]

Gegen den Widerspruchsbescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchbescheids schriftlich Klage erhoben werden.“

Der Geschäftsführer der K (G), der das gesamte Verfahren intensiv begleitet, verreist mit seiner Familie bis zum 1.10.2018. Nach seiner Rückkehr fragt er die ebenfalls im Betrieb tätige Sekretärin S, ob sie wichtige Post vom Gericht bekommen haben. Die S, die grundsätzlich für ihre sorgfältige Arbeit bekannt ist, vergisst im gesamten Trubel, dass der Widerspruchsbescheid zugestellt wurde. Anfang Dezember wird G stutzig und meldet sich beim Bezirksamt, das ihn darauf hinweist, dass der Widerspruchsbescheid bereits am 18.9.2018 zugestellt worden sei. Eine Klage sei nun im Dezember schon verspätet und damit aussichtslos.

G ist zwar erbost über die plötzliche Vergesslichkeit der S. Jedoch ist er der Auffassung, dass ihre Vergesslichkeit nicht dazu führen könne, dass er nicht noch Klage einreichen könne. Schließlich habe S doch den Widerspruchsbescheid vergessen und nicht er als federführende Person des Verfahrens. Außerdem könne nicht einfach die Rechtsgrundlage für die behördliche Maßnahme geändert werden. Das würde gegen seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verstoßen. Daher legt er im Namen der K am 27.12.2018 beim zuständigen Verwaltungsgericht Berlin schriftlich Klage gegen den Ausgangs- und Widerspruchsbescheid ein.

Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

Bearbeiter*innenvermerk: Es ist zu unterstellen, dass das Verwaltungsgericht Berlin örtlich und sachlich zuständig ist. Es sind das VwVfG und VwZG des Bundes anzuwenden. Verwaltungsvollstreckungsrechtliche Maßnahmen sind nicht zu prüfen. Es ist ferner davon auszugehen, dass

• die K ihr Grundstück tatsächlich an den M vermietet hat;

• auf dem Grundstück eine Vielzahl von Trampelpfaden erkennbar sind;

• in der Anordnung das Grundstück der K bestimmt genug angegeben wurde.

§ 58 I BauO Bln lautet: Die Bauaufsichtsbehörden haben bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. (…) Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. (…).

§ 17 I ASOG Bln lautet: Die Ordnungsbehörden und die Polizei können die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die §§ 18 bis 51 ihre Befugnisse besonders regeln.

Lösungsgliederung

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4 A. Zulässigkeit

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
1. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
2. Nicht-verfassungsrechtlicher Art
3. Abdrängende Sonderzuweisung
4. Zwischenergebnis
II. Statthafte Klageart
III. Klagebefugnis
IV. Erfolgloses, ordnungsgemäßes Vorverfahren
V. Klagefrist
1. Fristbeginn
a) Richtiger Zustellungsempfänger
b) Berechnung des Fristbeginns
2. Fristablauf
3. Fristwahrung wegen fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung
VI. Beteiligte
VII. Zuständiges Gericht

B. Begründetheit

I. Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts
1. Ermächtigungsgrundlage
a) Einschlägige Ermächtigungsgrundlage
b) Austausch der Ermächtigungsgrundlage
2. Formelle Rechtmäßigkeit
a) Zuständigkeit
b) Verfahren
aa) Entbehrlichkeit der Anhörung
bb) Heilung der fehlenden Anhörung
c) Form
3. Materielle Rechtmäßigkeit
a) Tatbestand
aa) Öffentliche Sicherheit und Ordnung
bb) Gefahr
cc) Verantwortlichkeit
(1) Verantwortlichkeit als Eigentümerin
(2) Ausschluss der Verantwortlichkeit durch Handlung des Bezirksamts
(3) Ausschluss der Verantwortlichkeit durch Verhalten Dritter
b) Rechtsfolge
aa) Entschließungsermessen
bb) Auswahlermessen
(1) Bezüglich des Störers
(2) Bezüglich des Mittels
II. Rechtsverletzung

C. Ergebnis

Lösungsvorschlag

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5 Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.

A. Zulässigkeit

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I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

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6 Zunächst müsste der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Mangels aufdrängender Sonderzuweisung ist nach § 40 I 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art vorliegt und keine abdrängende Sonderzuweisung gegeben ist.

1. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit

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7 Eine Streitigkeit ist nach der modifizierten Subjektstheorie öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidende Norm öffentlich-rechtlich ist. Dies ist der Fall, wenn durch die Norm ausschließlich Hoheitsträger als solche berechtigt oder verpflichtet werden. Die streitentscheidende Norm ist entweder § 58 I BauO Bln oder § 17 I ASOG. Eine Entscheidung über die tatsächlich einschlägige Norm muss vorliegend noch nicht getroffen werden, da sowohl nach § 58 I BauO Bln als auch § 17 I ASOG ausschließlich Hoheitsträger zur Vornahme von Maßnahmen berechtigt werden.

Somit liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor.

2. Nicht-verfassungsrechtlicher Art

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8 Die öffentlich-rechtliche Streitigkeit müsste nicht-verfassungsrechtlicher Art sein. Nach der Lehre der sog. doppelten Verfassungsunmittelbarkeit ist eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art, wenn unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte sich um unmittelbar in der Verfassung geregelte Rechte und Pflichten streiten. D.h., dass wenn bereits eine der beiden Voraussetzungen nicht vorliegt, die Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art ist. Die K ist kein Verfassungsorgan, sondern eine juristische Person des Privatrechts, sodass bereits aus diesem Grund eine nicht-verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegt.

3. Abdrängende Sonderzuweisung

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9 Schließlich dürfte keine abdrängende Sonderzuweisung die Streitigkeit einem anderen Rechtsweg zuweisen. In Betracht käme vorliegend allein § 23 I 1 EGGVG, wonach die ordentlichen Gerichte auf Antrag entscheiden können, wenn der Streitgegenstand von Justizbehörden getroffene Maßnahmen betrifft.[1]

Die Vorschrift betrifft jedoch nur repressive und keine präventiven Maßnahmen. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Wortlaut der Norm, die nur auf Strafverfolgung abstellt. Die Anordnung wurde jedoch aus präventiven Gründen erlassen, um möglichen Gefahren entgegenzuwirken. Somit ist die Sonderzuweisung nach § 23 I 1 EGGVG nicht einschlägig. Andere abdrängende Sonderzuweisungen sind nicht ersichtlich.

4. Zwischenergebnis

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Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 I 1 VwGO eröffnet.

II. Statthafte Klageart

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10 Die statthafte Klageart richtet sich nach dem klägerischen Begehren nach § 88 VwGO. K wendet sich gegen die Anordnung des Bezirksamts Pankow. Daher könnte die Anfechtungsklage nach § 42 I 1. Alt. VwGO statthaft sein, die auf die Aufhebung von Verwaltungsakten gerichtet ist. Dafür müsste es sich bei der Anordnung um einen Verwaltungsakt nach § 35 1 VwVfG handeln.

Ein Verwaltungsakt ist nach § 35 1 VwVfG jede hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Bei der Anordnung handelt es sich um eine rechtliche Verpflichtung durch das Bezirksamt als Hoheitsträger, die sich im konkreten Fall an die K richtet, die außerhalb der Verwaltung steht.

Es handelt sich bei der Anordnung also um einen Verwaltungsakt, der mit der Anfechtungsklage nach § 42 I 1. Alt. VwGO aufgehoben werden kann, sodass die Anfechtungsklage statthaft ist.

III. Klagebefugnis

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11 Zudem müsste K gemäß § 42 II VwGO klagebefugt sein. Dies ist der Fall, wenn die Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte zumindest nicht ausgeschlossen und damit möglich ist. Da sie Adressatin des sie belastenden Verwaltungsakts ist, ist zumindest nach der Adressatentheorie nicht ausgeschlossen, dass sie jedenfalls in ihrer Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG verletzt sein könnte.

K ist mithin nach § 42 II VwGO klagebefugt.

IV. Erfolgloses, ordnungsgemäßes Vorverfahren

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12 Ferner müsste ein erfolgloses, ordnungsgemäßes Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO stattgefunden haben. Es gilt nach § 70 I VwGO eine Monatsfrist. Diese hat K eingehalten, da der Ausgangsbescheid am 3.8.2018 zugegangen ist und der Widerspruch am 17.8.2018, somit nach zwei Wochen und damit innerhalb der Frist, beim Bezirksamt eingegangen ist.

V. Klagefrist

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13 Fraglich ist jedoch, ob K die Klagefrist gemäß § 74 I VwGO gewahrt hat, wonach einen Monat nach Zustellung des Widerspruchbescheids beim Gericht Klage einzureichen ist.

1. Fristbeginn

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14 Die Berechnung der Frist beginnt gemäß § 57 I VwGO mit der Zustellung, wenn nichts anderes bestimmt ist. Vorliegend ist demnach die Zustellung des Widerspruchbescheids maßgeblich. Dies richtet sich nach den Vorschriften des VwZG, da der Widerspruchsbescheid nach § 73 III 2 VwGO von Amts wegen zuzustellen ist. Vorliegend wählte das Bezirksamt die Zustellung durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe nach § 4 I 1. Alt. VwZG.[2]

a) Richtiger Zustellungsempfänger
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15 Fraglich ist zunächst, ob die Zustellung rechtmäßig war, da nicht der G als Geschäftsführer der K die Anordnung entgegen genommen hat, sondern die Sekretärin der K. Grundsätzlich hat die Zustellung an den Adressaten zu erfolgen. Adressatin war die K und damit der G als rechtmäßiger Vertreter nach § 35 I 1 GmbHG. Jedoch kann die Zustellung auch an einen Ersatzempfänger erfolgen, wenn der Adressat nicht anzutreffen ist. Zu der Gruppe der Ersatzempfänger gehören Familienmitglieder, wie Ehegatten, aber auch im Betrieb beschäftigte Personen, die bei der Zustellung anwesend sind.

Die Sekretärin ist eine im Betrieb beschäftigte Person, was auch nach außen hin erkennbar ist. Sie ist mithin als Ersatzempfänger zu werten, sodass eine Zustellung an sie ebenfalls möglich war, da aus der Sicht eines objektiven Beobachters davon auszugehen ist, dass die Sekretärin eines Betriebs zur Annahme von Sendungen berechtigt ist und eine unverzügliche Weitergabe der Anordnung an den Adressaten zu erwarten war.

b) Berechnung des Fristbeginns
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16 Nach § 4 II 2 VwZG gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Vorliegend wurde der Widerspruchsbescheid am 17.9.2018 zur Post gegeben und ist bereits am 18.9.2018 zugegangen. Es ist unerheblich, dass der Bescheid bereits vor Ablauf der Drei-Tages-Frist zugegangen ist, da diese den Bürger schützen soll und durch einen früheren Zugang nicht verkürzt werden darf. Die Berechnung des Fristbeginns ist nach § 57 II VwGO i.V.m. §§ 222 I ZPO, 187 I BGB geregelt, wonach in dem Fall, dass für den Anfang einer Frist ein Ereignis maßgebend ist, der Tag, in welchen das Ereignis fällt, zur Berechnung der Frist nicht mitgerechnet wird.

Damit gilt der Bescheid am 20.9.2018 als zugestellt.

2. Fristablauf

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17 Der Fristablauf richtet sich ebenfalls nach § 57 II VwGO i.V.m. § 222 I ZPO und § 188 BGB, wonach eine Frist, die nach Monaten bestimmt ist, im Fall des § 187 I BGB mit Ablauf desjenigen Tages endigt, welcher durch seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis fällt. Damit liefe die Frist am 20.10.2018 ab. Die am 27.12.2018 zugestellte Klage könnte damit verspätet sein.

3. Fristwahrung wegen fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung

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18 Jedoch kommt vorliegend eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung nach § 58 II 1 Alt. 2 VwGO in Betracht. Danach ist bei einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres möglich. Eine richtige Rechtsbehelfsbelehrung muss vollständig sein und darf weder irreführenden Zusätze noch falsche, nicht in § 58 I VwGO genannte Voraussetzungen enthalten.[3]

In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde nur auf eine schriftliche Einlegung der Klage nach § 81 I 1 VwGO hingewiesen. Nicht genannt wurde die Einlegung mittels Niederschrift beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 81 I 2 VwGO. Zwar muss die belehrende Stelle nach herrschender Rechtsprechung nicht über die Form der Einlegung belehren, da die Form kein wesentlicher Bestandteil i.S.d. § 58 I VwGO ist. Wird dennoch ein Hinweis zur Form gegeben, so muss dieser vollständig sein und darf nicht irreführen. Aufgrund des fehlenden Hinweises auf die Einlegung mittels Niederschrift ist mithin die Rechtsbehelfsbelehrung nach § 58 II 1 Alt. 2 VwGO fehlerhaft. Es gilt damit die Jahresfrist, die am 20.9.2019 endet. Mithin wurde die Klage fristgerecht eingereicht.

Lösungshinweis: Wer die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung nicht gesehen hat, muss die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 60 VwGO prüfen, was Ausführungen zum Verschulden, insbesondere zur Zurechnung des Verschuldens erforderlich macht.[4] Anderenfalls ist auf die Problematik nicht einzugehen, was auch mit einem Satz abgehandelt werden kann: „Das Verschulden der Sekretärin S ist insoweit nicht von Bedeutung.“

VI. Beteiligte

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19 Klagegegner ist gemäß § 78 I Nr. 1 VwGO als Rechtsträger der Behörde das Land Berlin, die die Anordnung gegen die K erlassen hat.

Das Land Berlin und K als Klägerin müssen ferner beteiligten- und prozessfähig sein.

Die Beteiligtenfähigkeit der K ergibt sich aus § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO und ihre Quasi-Prozessfähigkeit als GmbH aus § 62 Abs. 3 VwGO, wonach ihr gesetzlicher Vertreter für sie handelt. Dies ist der Geschäftsführer G gemäß § 35 I 1 GmbHG.

Das Bezirksamt ist gemäß § 61 Nr. 3 VwGO beteiligtenfähig und nach § 62 Abs. 3 VwGO zwar nicht prozessfähig, kann aber von ihrem rechtlichen Vertreter vertreten werden.

VII. Zuständiges Gericht

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20 Laut Sachverhalt ist das Verwaltungsgericht Berlin das zuständige Gericht.

B. Begründetheit

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21 Die Klage ist gemäß § 113 I 1 VwGO begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und die K dadurch in ihren Rechten verletzt ist.

I. Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts

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22 Ein Verwaltungsakt ist rechtmäßig, wenn er in Anwendung einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage erfolgt sowie formell und materiell rechtmäßig ist.

1. Ermächtigungsgrundlage

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a) Einschlägige Ermächtigungsgrundlage
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23 Fraglich ist zum einen, welche Ermächtigungsgrundlage einschlägig ist.

Zunächst könnte bei der Auslegung des Ausgangsbescheids davon ausgegangen werden, dass sich die Anordnung auf die Sicherstellung der baulichen Anlagen auf dem Grundstück der K beziehen. Dies spräche dafür, dass § 58 I BauO Bln einschlägig wäre. Durch den Hinweis auf die favorisierte Sicherung durch einen Zaun bestehen jedoch Zweifel an der Bestimmtheit der Anordnung. Zudem bezieht sich die Androhung der Ersatzvornahme allein auf die Sicherung durch den Bau eines Zauns um das Grundstück und gerade nicht auf die Gebäude als bauliche Anlagen. Daher ist die Anordnung vielmehr dahingehend auszulegen, dass allein die Sicherung des Grundstücks und nicht der baulichen Anlagen angeordnet wird. § 58 BauO Bln deckt jedoch allein die Anordnung atypischer Maßnahmen an baulichen Anlagen und auch andere Vorschriften der BauO Bln sind nicht einschlägig. Mithin existiert keine spezialgesetzliche bauordnungsrechtliche Eingriffsbefugnis zur Verpflichtung des Grundstücksinhabers zur Vornahme von Sicherungsmaßnahmen an seinem Grundstück.

Daher ist die einschlägige Ermächtigungsgrundlage die ordnungsrechtliche Generalklausel § 17 I ASOG. Danach können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren.

b) Austausch der Ermächtigungsgrundlage
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24 Der Austausch der Ermächtigungsgrundlage durch die Widerspruchsbehörde müsste jedoch auch zulässig sein.

Grundsätzlich ist die Ausgangsbehörde nach § 45 I Nr. 2 VwVfG dazu befugt, bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine Begründung nachzuholen. Hierunter könnte auch der Wechsel der Rechtsgrundlage fallen. Es ist jedoch zwischen dem Nachholen und dem Nachschieben einer Begründung zu unterscheiden. Das Nachholen auf der einen Seite erfordert, dass zuvor keine Begründung vorlag. Das Nachschieben auf der anderen Seite umfasst die Fälle, in denen eine Begründung vorlag, diese aber in der Sache unzutreffend war. Da die Anordnung begründet wurde, aber möglicherweise auf eine falsche Ermächtigungsgrundlage gestützt wurde, ist vielmehr von einem Nachschieben von Gründen auszugehen, das gerade nicht von § 45 I Nr. 2 VwVfG umfasst ist. Der Rechtsgedanke des zulässigen Nachschiebens ergibt sich vielmehr aus § 114 S. 2 VwGO, wonach dies selbst noch im Verwaltungsprozess möglich ist.

Dies entspricht auch der Prüfungskompetenz der Widerspruchsbehörde nach § 68 I VwGO, wonach sie zur Prüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit befugt ist, d.h. auch die Rechtsgrundlage des angegriffenen Verwaltungsakts auszuwechseln.[5] Sie darf in dem Fall des Wechsels der Ermächtigungsgrundlage jedoch ihre Entscheidungskompetenzen nicht überschreiten. Das bedeutet, dass der Verwaltungsakt sich durch den Wechsel nicht in seinem Wesen ändern darf. Denn ihre Kompetenz umfasst nicht den Erlass eines neuen Ausgangsbescheids. Innerhalb der Ermessensverwaltung ist davon auszugehen, dass jedenfalls dann keine Wesensänderung vorliegt, wenn der Wechsel die Ermessensgrundlage oder den Ermessensrahmen nicht verändert.

Im vorliegenden Fall decken sich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58 I BauO Bln und des § 17 I ASOG weitestgehend. Zudem werden im Rahmen des Ermessens die gleichen Erwägungen herangezogen. Eine Wesensänderung liegt mithin nicht vor, sodass der Wechsel der Ermächtigungsgrundlage zulässig ist und die Voraussetzungen des § 17 I ASOG zu prüfen sind.[6]

2. Formelle Rechtmäßigkeit

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25 Die Anordnung müsste durch die zuständige Behörde im Rahmen eines rechtmäßigen Verfahrens erlassen worden sein und den Formvorschriften entsprechen.

a) Zuständigkeit
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26 Nach § 4 II AZG i.V.m. § 2 IV ASOG i.V.m. Nr. 15 ZustKatOrd sind die Bezirksämter sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ist laut Sachverhalt gegeben.

b) Verfahren
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27 Fraglich ist jedoch, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden. Gemäß § 28 I VwVfG sind die von belastenden Verwaltungsakten Betroffenen zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen anzuhören. Bei der vorliegenden Anordnung handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, sodass eine Anhörung grundsätzlich erforderlich gewesen wäre. Eine Anhörung fand jedoch nicht statt.

aa) Entbehrlichkeit der Anhörung
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28 In Betracht kommt, dass die Anhörung gemäß § 28 II Nr. 1 VwVfG entbehrlich war. Dafür müsste Gefahr in Verzug vorgelegen haben. Das ist der Fall, wenn damit zu rechnen ist, dass der Zweck des Verwaltungsakts bei Abwarten nicht mehr erreicht werden könnte.

Jedoch geht die Behörde selbst davon aus, dass noch eine gewisse Zeit abgewartet werden kann, da sie anordnet, dass erst ab Bestandskraft die Ersatzvornahme angedroht wird. Eine sofortige Anordnung hat sie gerade nicht angeordnet. Gefahr in Verzug nach § 28 II Nr. 1 VwVfG liegt mithin nicht vor.


bb) Heilung der fehlenden Anhörung
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29 Letztlich könnte die fehlende Anhörung gemäß § 45 I Nr. 3 VwVfG geheilt worden sein. Dies erfordert eine Nachholung der Anhörung. Eine Nachholung könnte in dem erfolgten Widerspruchsverfahren zu sehen sein, auch wenn nicht ausdrücklich von einer Nachholung gesprochen wurde. Dafür spricht insbesondere der Sinn und Zweck einer Anhörung, dass die Betroffenen die Möglichkeit bekommen sollen, sich zum Verwaltungsverfahren zu äußern und Überraschungseffekte zu vermeiden. Mit dem Widerspruch hat die K die Möglichkeit bekommen, sich inhaltlich zu der Sache zu äußern.

Mithin reicht das Widerspruchsverfahren für eine Nachholung der Anhörung aus, sodass der Verfahrensfehler insoweit geheilt wurde.[7]

c) Form
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30 Formelle Fehler sind nicht ersichtlich. Die Anordnung erfolgte gemäß § 37 II VwVfG in schriftlicher Form und wurde dem entsprechend ordnungsgemäß nach § 39 I VwVfG mit einer ordnungsgemäßen Begründung versehen.

3. Materielle Rechtmäßigkeit

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a) Tatbestand
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aa) Öffentliche Sicherheit und Ordnung
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31 Zunächst müsste ein geschütztes Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne der polizeirechtlichen Generalklausel betroffen sein. Die öffentliche Sicherheit umfasst die gesamte geschriebene Rechtsordnung, Individualrechtsgüter und die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Vorliegend könnten zunächst Individualrechtsgüter betroffen sein. Insbesondere könnten sich Kinder und Jugendliche, die sich unbefugt und möglicherweise auch alkoholisiert auf dem Gelände aufhalten, verletzten, sodass jedenfalls die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 II 1 GG betroffen sein könnte. Diesbezüglich ist jedoch fraglich, inwiefern bei Selbstgefährdungen Dritter das Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit betroffen sein kann, da schließlich die Personen sich beim Betreten des Grundstücks über die Gefahren bewusst sind.[8] Es gilt daher grundsätzlich, dass bei ausschließlicher Selbstgefährdung die öffentliche Sicherheit nicht betroffen ist, soweit keine anderen Schutzgüter betroffen sein könnten und die Einzelnen die Gefahr für sich jeweils absehen können, d.h. einschätzen, inwiefern sie sich Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit aussetzen.

Zwar könnte davon ausgegangen werden, dass die Jugendlichen bereits über eine ausreichende Einsichtsfähigkeit verfügen. Jedoch spricht dagegen, dass sich Jugendliche noch sehr leichtsinnig in Situationen begeben, deren Ausmaße sie nicht richtig einschätzen können. Hinzu kommt, dass auch jüngere Kinder den Zugang zu dem Grundstück nutzen, die in einem höheren Maße geschützt werden müssen. Schließlich wurden leere Flaschen alkoholischer Getränke auf dem Grundstück gefunden, was bedeuten kann, dass die Personen, die sich dort aufhalten betrunken sind und damit auch nicht mehr die Gefahren richtig einschätzen können, sodass ausnahmsweise die Selbstgefährdung Dritter dazu führt, dass das Individualrechtsgut der körperlichen Unversehrtheit der selbstgefährdenden Personen als Schutzgut betroffen ist.

Lösungshinweis: Eine andere Ansicht ist mit entsprechender Argumentation vertretbar. Jedoch muss in dem Fall auf mögliche andere Schutzgüter eingegangen werden. So ist beispielsweise § 123 I StGB als Bestandteil der gesamten geschriebenen Rechtsordnung aufgrund der fehlenden Einzäunung nicht einschlägig. Im Ergebnis wäre in einem Hilfsgutachten weiter zu prüfen.

bb) Gefahr
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32 Es müsste ferner für diese Schutzgüter eine Gefahr im Sinne einer konkreten Gefahr vorliegen. Eine konkrete Gefahr ist eine Sachlage, die in der konkreten Situation bei ungehindertem Ablauf in überschaubarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Eintritt eines Schadens an einem Schutzgut befürchten lässt.

In dem Fall, dass die K die erforderlichen Absicherungsmaßnahmen nicht vornimmt, kann mit einer erheblichen Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass Kinder und Jugendliche erneut das Gelände betreten und sich dabei in einem nicht unerheblichen Maße verletzten, da diese bereits nachweislich hierbei beobachtet wurden und ferner viele Trampelpfade auf dem Grundstück zu erkennen sind. Es liegt mithin eine Gefahr für das Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit vor.

cc) Verantwortlichkeit
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33 K müsste schließlich auch im Sinne des ASOG verantwortlich sein. Unterschieden wird zwischen der Zustands- und Verhaltensverantwortlichkeit.

Die Verhaltensverantwortlichkeit richtet sich nach § 13 I ASOG. Danach sind Maßnahmen an die Person zu richten, die eine Gefahr verursacht hat. Nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung ist Verhaltensstörer, wer durch sein Verhalten die Gefahrschwelle unmittelbar überschreitet und damit in der Kausalkette das entscheidende Glied darstellt.[9] Vorliegend beruht die Gefahr jedoch nicht auf einem Verhalten der K.

= (1) Verantwortlichkeit als Eigentümerin =
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34 K könnte als Eigentümerin jedoch zustandsverantwortlich sein. Die Zustandsverantwortlichkeit ist gegeben, wenn die Gefahren von einer Sache ausgehen, d.h. die Sache selbst die Gefahrenquelle bildet. Dann können die Maßnahmen nach § 14 I ASOG einerseits an den Inhaber der tatsächlichen Gewalt gerichtet werden. Nach § 14 III 1 ASOG richtet sich die Verantwortlichkeit andererseits aber auch an den Eigentümer im Sinne des § 903 1 BGB. Die K ist laut Sachverhalt unstreitig Eigentümerin des betroffenen Grundstücks. Die Verantwortlichkeit ist zudem nicht nach § 14 III 2 ASOG ausgeschlossen, da die Vermietung an den M mit dem Willen der K erfolgte. Die Verantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt steht neben der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers, sodass jedenfalls auf der Tatbestandseite die K nach § 14 III 1 ASOG verantwortlich ist.

= (2) Ausschluss der Verantwortlichkeit durch Handlung des Bezirksamts =
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35 Jedoch könnte die Verantwortlichkeit ausgeschlossen sein, da die Gefahr erst aufgrund der Handlung des Bezirksamtes mit dem Fahrradweg entstanden ist. Von Seiten eines Nachbarn muss jedoch eine Einfriedung eines gefahrenlosen Grundstücks – hier des Grundstücks des Bezirks – nicht aufrechterhalten werden. Unerheblich ist, dass dies der K zugutekam. Sie darf sich nicht auf Maßnahmen Dritter stützen, sondern muss ihr Grundstück, von dem schließlich die Gefahren ausgehen, ausreichend absichern.

= (3) Ausschluss der Verantwortlichkeit durch Verhalten Dritter =
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36 Zuletzt ist fraglich, ob die Verantwortlichkeit der K aufgrund Verhaltens Dritter, die ihr Grundstück betreten, ausgeschlossen ist.

Zum einem könnte angenommen werden, dass es einem Eigentümer nicht zugemutet werden kann, jegliches rechtswidrige und unbefugte Betreten seines Grundstücks abzuwehren. Schließlich entsteht die Gefahr erst unmittelbar durch das Betreten Dritter. Bei einer extensiven Auslegung müsste jeder Eigentümer Sicherungsmaßnahmen treffen und die Polizei würde überflüssig werden. Der Schutz der Allgemeinheit obliegt schließlich nicht dem Einzelnen, sondern besonderen staatlichen Organen. Dagegen spricht zum einen jedoch, dass wie bereits geprüft, die betroffenen Personen nicht über die erforderliche Einsichtsfähigkeit verfügen. Zum anderen kann von dem Eigentümer eine angemessene Absicherung seines Grundstücks, von dem die Gefahren bei Betreten ausgehen, im Sinne einer Pflicht zur Sicherung des Grundstückes zugemutet werden. Aufgrund der Öffnung des Grundstücks ist eine bestimmungswidrige Nutzung nicht ganz fernliegend, insbesondere da der Verlauf der Grenzen des öffentlichen Grundstücks zum privaten Grundstück nicht erkennbar ist. Der Eigentümer kann folglich mit einem unbefugten Betreten rechnen und durch hinreichende Sicherungsmaßnahmen dieses verhindern. Ein Mindestmaß an Sicherung gegen unbefugtes Betreten ist jedem Eigentümer und damit auch der K zuzumuten, insbesondere, wenn ihr bereits eine Vielzahl an Fällen des Betretens ihres Grundstücks bekannt ist.[10]

Mithin schließt das Verhalten Dritter die Zustandsverantwortlichkeit der K nicht aus.

Lösungshinweis: Hier kann mit guten Argumenten ein anderes Ergebnis vertreten werden, wobei in der Folge die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung zu verneinen und in einem Hilfsgutachten weiter zu prüfen wäre. Es muss insbesondere auf eine konsistente Lösung geachtet werden, die sich nicht den Ausführungen zur Selbstgefährdung Dritter im Rahmen der Prüfung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung widerspricht.

b) Rechtsfolge
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37 § 17 I ASOG ist eine Ermessensvorschrift, sodass sowohl das Entschließungs- als auch das Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt worden sein müsste. Das Ermessen ist dafür auf Ermessensfehler zu untersuchen, § 114 S. 1 VwGO.

aa) Entschließungsermessen
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38 Das Entschließungsermessen betrifft die Entscheidung darüber, ob überhaupt und wann eine Maßnahme vorgenommen werden sollte. Die Behörde hat Erwägungen der Gefahr für die körperliche Unversehrtheit herangezogen, die ein Einschreiten aufgrund der gesteigerten verfassungsrechtlichen Bedeutung rechtfertigen können. Ein Ermessensnichtgebrauch ist nicht ersichtlich. Zudem sind weder ein Ermessensfehlgebrauch noch ein -überschreiten in Bezug auf das Entschließungsermessen erkennbar.

Das Entschließungsermessen wurde ordnungsgemäß ausgeübt.

bb) Auswahlermessen
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39 Jedoch könnten innerhalb des Auswahlermessens Ermessensfehler vorliegen. Diesbezüglich wird weiter unterschieden zwischen Auswahlermessen in Bezug auf den Störer und in Bezug auf das Mittel. Das Auswahlermessen betrifft nicht das Ob, sondern das Wie des Einschreitens.

= (1) Bezüglich des Störers =
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40 Fraglich ist, ob der Mieter des Grundstücks als verantwortlicher Störer anstelle der Eigentümerin K heranzuziehen ist. Die Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden verantwortlichen Störern liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Dann müsste der Mieter ein Störer im Sinne des ASOG sein.

Nach § 14 I ASOG sind im Rahmen der Zustandsverantwortlichkeit die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Dies geht über den Begriff des Eigentümers hinaus, da diese Verantwortlichkeit explizit nach § 14 Abs. 3 1 ASOG geregelt ist. Mitumfasst ist daher auch, wer unmittelbaren Besitz im Sinne des BGB innehat. Die Regelung entspricht dem Sinn und Zweck des Polizei- und Ordnungsrechts, dass bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein schnelles und effektives Einschreiten unabhängig von den rechtlichen Eigentumsverhältnissen ermöglicht werden muss. Der Mieter ist Besitzer im Sinne des BGB und kann daher auch grundsätzlich als Zustandsstörer herangezogen werden.

Eine Ausnahme davon liegt vor, wenn der Eigentümer nicht willentlich die tatsächliche Gewalt über die Sache abgegeben hat. In diesem Fall ist nach § 14 Abs. 3 S. 2 ASOG allein gegen den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft vorzugehen. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.

Es ist nach dem Grundsatz der unmittelbaren Verursachung sowie der Effektivität des polizeirechtlichen Einschreitens danach abzuwägen, von wem die Gefahr ausging und von wem diese am schnellsten und effektivsten beseitigt werden kann. Zudem ist ein weiterer heranzuziehender Aspekt, welcher Störer erreichbar ist. K hat zunächst ihr Grundstück nicht ausreichend abgesichert. Hinzukommt, dass sie das Grundstück erst im Laufe des Verwaltungsverfahrens vermietet hat. Durch die Vermietung wird die Verantwortlichkeit der K nicht aufgehoben. Wenn ein Mieter mit Beginn der Mieter Inhaber der tatsächlichen Gewalt wird, ist zu prüfen, ob die dem Grundstück ausgehende Gefahr erst durch seine Nutzung entstand. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Verantwortlichkeit dadurch eingeschränkt wird, dass sie nur zu Handlungen verpflichtet werden dürfen, zu denen sie tatsächlich in der Lage und rechtlich befugt sind. Es ist daher davon auszugehen, dass K aufgrund Ihrer Eigentümerrechte vielmehr in der Lage ist, das Grundstück ausreichend zu sichern, als der Mieter, der das Grundstück über den Mietvertrag lediglich besitzt und nicht über dieselbe tatsächliche Gewalt wie der Eigentümer verfügt.

Es spricht damit eine Vielzahl von Ermessenserwägungen dafür, dass K die richtige Adressatin der Sicherungsanordnung ist. Auswahlermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

= (2) Bezüglich des Mittels =
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41 Letztlich ist fraglich, ob das Auswahlermessen bezüglich des Mittels pflichtgemäß ausgeübt wurde. Es könnte eine Ermessensüberschreitung vorliegen. Das ist der Fall, wenn die ausgewählte Maßnahme gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, an den die Ordnungsbehörden gemäß § 11 I und 2 ASOG gebunden sind.

(a) Legitimer Zweck

42 Es müsste zunächst ein legitimer Zweck vorliegen. Vorliegend entscheidet sich das Bezirksamt für die Anordnung, da sie die körperliche Unversehrtheit der Personen schützen möchte, die das Grundstück betreten. Bei der körperlichen Unversehrtheit gemäß Art. 2 II 1 GG handelt es sich um einen legitimen Zweck.

(b) Geeignetheit

43 Die Anordnung müsste ferner geeignet sein. Eine Maßnahme ist geeignet, wenn sie den legitimen Zweck fördert. Durch die Verpflichtung, die Grundstücksgrenzen durch eine Einfriedung zu sichern, wird der legitime Zweck gefördert und ist mithin auch geeignet.

(c) Erforderlichkeit

44 Zudem müsste die Anordnung erforderlich sein. Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn sie das mildeste unter gleich geeigneten Mitteln ist. Fraglich ist daher, ob andere gleich geeignete mildere Mittel in Betracht kommen, um die Gefahr für die körperliche Unversehrtheit abzuwenden.

In Betracht käme als erstes eine mögliche Sanierungspflicht der Gebäude. Dies ist jedoch ein erheblicherer Eingriff in die Eigentumsrechte der K und zudem eine kostenintensivere Maßnahme. Für den Schutz der Personen ist eine Sicherung des Grundstücks ausreichend. Andere Maßnahmen sind nicht erkennbar.

Mithin ist die Anordnung auch erforderlich.

(d) Angemessenheit

45 Zuletzt müsste die Anordnung auch angemessen sein. Eine Maßnahme ist angemessen, wenn der legitime Zweck mit dem jeweiligen Eingriff in einem angemessenen Verhältnis steht.

Die Verpflichtung eine Absicherung des Grundstücks vorzunehmen ist sowohl finanziell als auch von praktischen Aufwand her ein geringer Eingriff, um die bestehende Gefahr für die körperliche Unversehrtheit von Personen abzuwenden und dem unbefugten Betreten vorzubeugen. Die Maßnahme ist letztlich auch angemessen und damit insgesamt verhältnismäßig, sodass die Behörde im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens gehandelt hat.

II. Rechtsverletzung

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46 Der Verwaltungsakt ist rechtmäßig. Eine Rechtsverletzung liegt mithin nicht vor.

C. Ergebnis

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47 Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Sie hat daher keine Aussicht auf Erfolg.


Fußnoten

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  1. S. hierzu vertiefend Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 1 Rn. 218 und § 2 Rn. 1018.
  2. S. dazu näher Stockebrandt, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. Rn. 373, 378.
  3. S. hierzu näher Stockebrandt, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 368.
  4. S. hierzu näher Stockebrandt, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 394 ff.
  5. Vgl. Büscher, JA 2010, 791 (794) mit Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 18.9.1991, Az.: 1 B 107.91 = NVwZ-RR 1992, 68 (68).
  6. S. näher zur Prüfung der polizeirechtlichen Generalklausel Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 1081 ff.
  7. S. näher zur Diskussion, wann die Durchführung des Widerspruchsverfahrens zur Heilung von Anhörungsfehlern ausreicht Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § § 2 Rn. 657 ff.
  8. S. zu dieser Problematik auch Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 1094.
  9. S. dazu näher Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 1123.
  10. VG Berlin, Beschl. v. 14.4.2011, Az.: 13 L 50.11 mit Hinweis auf OVG Berlin, Urt. v. 4.3.1953, Az.: I B 82/52 = DÖV 1954, 214 (214); vgl. hierzu ferner im Ergebnis auch Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Polizeiaufgaben, Rn. 110.