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Zivilprozessrecht im 2. Staatsexamen: Die Klageänderung

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Mit Klageänderung bezeichnet man die Änderung des Streitgegenstandes. Nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff liegt damit eine Klageänderung vor, wenn der Kläger entweder seinen Antrag ändert, oder einen anderen Lebenssachverhalt zur Anspruchsbegründung vorträgt. Vor Rechtshängigkeit ist eine Klageänderung immer zulässig. Die neue Klage muss den Anforderungen des § 253 ZPO entsprechen, nur sie wird anstelle der alten Klage zugestellt. Nach Rechtshängigkeit ist eine Klageänderung gem. § 263 ZPO nur zulässig, wenn der Beklagte zustimmt, das Gericht sie für sachdienlich hält, oder das Gesetz die Zulässigkeit nach § 264 ZPO anordnet.

Objektive Klageänderung

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Klageerweiterung und -beschränkung

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Beide sind nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässig. Die Klageerweiterung kann zum Wechsel der sachlichen Zuständigkeit führen, § 504, § 506 ZPO, die Klagebeschränkung hingegen nicht, § 261 Abs. 3 Ziffer 2 ZPO.

Klageauswechslung

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Hier wird entweder der bisher vorgetragene Lebenssachverhalt, der bisher gestellte Antrag, oder beides ersetzt. Ein Beispiel für die Auswechslung des Lebenssachverhalts ist die Umstellung der Klage aus eigenem Recht auf Klage aus abgetretenem Recht (sehr häufig bei komplexen Unternehmensgeflechten wenn erst im Prozess deutlich wird, dass die klagende Gesellschaft nicht Anspruchsinhaber ist). Eine Antragsänderung bei gleichem Lebenssachverhalt ist zum Beispiel der Übergang von einem Leistungs- zu einem Schadensersatzanspruch.

Zulässigkeit
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Die Klageauswechslung ist zulässig, wenn

  • der Beklagte einwilligt, § 263 Alt. 1 ZPO
  • der Beklagte sich rügelos auf die geänderte Klage einlässt, § 267 ZPO oder
  • das Gericht die Klage als sachdienlich erachtet, § 263 Alt. 2 ZPO

Sachdienlich ist die Klageänderung, wenn bereits gewonnener Prozessstoff auch für die geänderte Klage nützlich ist und ein weiterer Rechtsstreit durch die Entscheidung vermieden werden kann.

Behandlung der zulässigen Klageauswechslung im Urteil
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Nach herrschender Meinung ist bei zulässiger Klageauswechslung nicht mehr über den früheren Streitgegenstand zu entscheiden.

Tenor
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In der Hauptsacheentscheidung ist nur über den zuletzt gestellten Klageantrag zu entscheiden. Da der ursprüngliche Anspruch fallen gelassen wurde, muss er nicht im Übrigen abgewiesen werden. Der Kläger muss jedoch die Kosten tragen, die entstanden sind, weil er nicht sofort den zuletzt eingeforderten prozessualen Anspruch geltend gemacht hat. Diese können nach § 96 ZPO abgetrennt werden, soweit sie ausscheidbar sind (z.B. Kosten für Beweisaufnahmen vor Klageänderung). Alternativ kann auch eine einheitliche Quote nach § 92 ZPO gebildet werden.

Tatbestand
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Ist der ursprüngliche Klageanspruch mit der Auswechslung fallen gelassen worden, hat er für den Rechtsstreit nur noch für die Höhe der Kosten Relevanz. Über den vorangegangenen Anspruch ist daher in der Prozessgeschichte vor den zuletzt gestellten Anträgen zu berichten. Die Formulierung sollte hier, bis auf den für den Streitwert relevanten Antrag, so knapp wie möglich sein.

Entscheidungsgründe
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In den Entscheidungsgründen ist vorrangig der eingewechselte Anspruch zu diskutieren, da nur auf ihm der Tenor beruht. Zum fallen gelassenen Anspruch ist kurz zu begründen, dass die Rechtshängigkeit wegen zulässiger Klageänderung entfallen ist oder zumindest mit Rechtskraft des Urteils entfallen wird, so dass eine Prüfung des ursprünglichen Anspruchs entbehrlich ist.

In der Kostenentscheidung ist zu begründen, inwieweit Mehrkosten wegen des fallen gelassenen Anspruchs sich auf die Kostenquote ausgewirkt haben.

Behandlung der unzulässigen Klageauswechslung im Urteil
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Ist die Klageauswechslung unzulässig wird der neue prozessuale Anspruch abgewiesen.

Ob in diesem Fall über den alten Antrag noch entschieden werden muss, ist umstritten. Zunächst ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der alte Antrag hilfsweise weitergestellt bleiben sollte - in diesem Fall liegt eventuale Klagenhäufung nach § 260 ZPO vor und es wird über den alten Antrag entschieden - oder ob der ursprüngliche Antrag zurückgenommen werden sollte, § 269 ZPO.

Für den Fall, dass sich durch Auslegung keine entsprechende Erklärung des Klägers finden lässt, weil dieser einfach untätig gebieben ist, gibt es drei Meinungen. Nach einer Ansicht ist nur über den alten Anspruch zu entscheiden, da die unzulässige Klageauswechslung unwirksam ist, nach anderer Ansicht nur über den neuen Anspruch, da der Kläger mit der Klageauswechslung den alten Anspruch aufgegeben hat und deswegen nach § 308 Abs. 1 ZPO darüber nicht mehr zu entscheiden ist. Nach der herrschenden Meinung müssen beide Ansprüche entschieden werden, der alte Anspruch, soweit die Klage zulässig war, durch Sachurteil (ggfs. Versäumnisurteil wenn zum alten Antrag nicht mehr verhandelt wurde), über den neuen Anspruch durch Prozessurteil.[1]

Tenor
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Wird der bisherige Anspruch aufrecht erhalten, wird zu diesem tenoriert als hätte es die Klageänderung nicht gegeben.

Wurde er hingegen weder zurückgenommen noch als Eventualantrag aufrecht erhalten und hat der Kläger zum ursprünglichen Antrag nicht mehr verhandelt, ergeht ein klageabweisendes Versäumnis- und Endurteil, das als solches überschrieben wird. Bezüglich des ursprünglichen Antrags liegt ein VU vor, gegen das der Einspruch statthaft ist, bezüglich des neuen, unzulässig eingewechselten Anspruchs ein streitiges Endurteil, das mit der Berufung angreifbar ist.

Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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In den Entscheidungsgründen wird zunächst der eingewechselte Anspruch behandelt, da nur dessen Unzulässigkeit zur Entscheidung über den alten Anspruch führt. Dargestellt werden müssen nur die Gründe für die Unzulässigkeit der Klageänderung.

Zum fallen gelassenen Anspruch muss zunächst dargestellt werden, dass die Rechtshängigkeit nach herrschender Meinung nicht entfallen ist. Anschließend ist gegebenenfalls die Säumnis des Klägers zu erörtern. War der Kläger nicht säumig, wird der ursprüngliche Anspruch wie bei einem normalen Sachurteil geprüft. Bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit muss angegeben werden, ob der Streitwert nach § 5 ZPO gebildet wurde, indem alter und neuer Anspruch addiert wurden oder gemäß der herrschenden Meinung nur der Wert des höchsten Anspruchs als Streitwert festgesetzt wird.

Nachträgliche objektive Klagenhäufung

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Für nachträglich hinzugefügte prozessuale Ansprüche sind neben § 260 auch die §§ 263 ff. ZPO direkt oder analog anwendbar.[2] Zusätzlich zur Prüfung der Zulässigkeit der objektiven Klagenhäufung muss dann die Zulässigkeit der Klageänderung geprüft werden.

Subjektive Klageänderung

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Eine subjektive Klageänderung (auch: Parteiänderung) kann per Gesetz erfolgen, so in §§ 239, 240, 242 und 856Vorlage:§/Wartung/buzer Abs. 2 ZPO, oder gewillkürt. Die gewillkürte Parteiänderung ist eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO.[3]


Fußnoten

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  1. Musielak-Foerste 10. Aufl. 2013 § 263 Rn. 11
  2. Musielak-Foerste 10. Aufl. 2013 § 263 Rn. 4 mwN und der Gegenansicht
  3. Musielak-Foerste 10. Aufl. 2013 § 263 Rn. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung, er selbst mit der a.A.