Zivilprozessrecht im 2. Staatsexamen: Rechtsbehelfe im Klauselverfahren
Zwangsvollstreckungsklausel
[Bearbeiten]Grundsatz
[Bearbeiten]Die den Parteien nach § 317 Abs. 1 ZPO zugestellte Ausfertigung des Urteils kann wie sich aus § 724 Abs. 1 ZPO ergibt, noch nicht zur Grundlage der Zwangsvollstreckung gemacht werden. Dazu muss erst die sog. Vollstreckungsklausel erteilt werden. Hierfür dient das Klauselverfahren nach den "§§ 724 ff. ZPO. Es erfolgt nur auf formlosen Antrag des Vollstreckungsgläubigers. Der Inhalt der Klausel ergibt sich aus § 725 ZPO:
- "Vorstehende Ausfertigung wird dem usw. (Bezeichnung der Partei) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt"
Einfache und qualifizierte Klausel
[Bearbeiten]Die einfache Klausel wird vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erstellt, der nur prüft, ob ein vollstreckbarer Titel existiert und die Parteien im Zwangsvollstreckungsverfahren identisch sind mit denen im Titel. Rechtsbehelf, wenn sich der Urkundsbeamte weigert ist die Erinnerung nach § 573 ZPO.[1]
Bei der qualifizierten Klausel ist zu unterscheiden:
- Sie wird als titelergänzende Klausel gem. § 726 ZPO erteilt, wenn die Vollstreckung von einer Tatsache abhängt, die der Gläubiger beweisen muss.[2] In diesem Fall wird die vollstreckbare Ausfertigung erst erteilt, wenn dem Vollstreckungsorgan der Nachweis vorgelegt wurde, oder der Bedingungseintritt offenkundig oder vom Vollstreckungsschuldner zugestanden ist.[3]
- Sie wird als titelumschreibende Klausel gem. § 727 - § 729 ZPO erteilt, wenn die Zwangsvollstreckung für oder gegen eine andere Partei als die im Titel genannte erfolgen soll. Unmittelbar anwendbar ist § 727 ZPO für alle Arten der Rechtsnachfolge, entsprechend z.B. wenn eine Partei kraft Amtes in die Rechtsstellung einer im Titel genannten Partei eintritt.[4]
Zuständig für beide Arten qualifizierter Klauseln ist nach § 20 Nr. 12 RPflG der Rechtspfleger. Rechtsbehelf, wenn der Rechtspfleger sich weigert, die Klausel zu erteilen, ist gem. § 20 Abs. 1 RPflG iVm § 793 und § 567 ZPO die sofortige Beschwerde.
Vollstreckbare Urkunden
[Bearbeiten]Die vollstreckbare Ausfertigung vollstreckbarer Urkunden im Sinne des § 794 ZPO ist regelmäßig Aufgabe des Notars, § 797 Abs. 2 ZPO. Weigert sich der Notar, kann der Gläubiger nach § 54 BeurkG Beschwerde einlegen. Ansonsten sind nach § 795 ZPO die Regeln zur vollstreckbaren Ausfertigung von Urteilen mit den Modifikationen der §§ 795a ff. ZPO entsprechend anzuwenden.
Klauselerteilungsklage, § 731 ZPO
[Bearbeiten]Sinn und Zweck
[Bearbeiten]Um den Rechtspfleger mit der Prüfung des Nachweises bei der qualifizierten Klausel nicht zu überlasten, sehen sowohl § 726 als auch § 727 ZPO vor, dass der Vollstreckungsgläubiger ihn nur mit öffentlichen (§ 415 ZPO) oder öffentlich beglaubigten (§ 129 BGB) Urkunden führen darf. Kann er das nicht, muss er nach § 731 ZPO auf Erteilung der Klausel klagen.
Antrag und Tenor lauten
- Die Vollstreckungsklausel zu dem Urteil des (Gericht, Aktenzeichen) ist für den Kläger zur Vollstreckung gegen den Beklagten zu erteilen."[5]
Zulässigkeit
[Bearbeiten]- Zuständigkeit: Bei Urteilen und Vergleichen ausschließlich (§ 802) das Prozessgericht erster Instanz, falls AG und Zuständigkeitsstreitwert überschritten vorgeordnetes Landgericht [6]
- Statthaftigkeit: Kläger begehrt Erteilung einer qualifizierten Klausel und kann Urkundennachweis nicht führen
- Prozessführungsbefugnis: Kläger ist der Vollstreckungsgläubiger, Beklagter der Schuldner, gegen den die Klausel erteilt werden soll
- Rechtsschutzinteresse: Es gilt § 256 ZPO,[7] da die Klage aus § 731 ZPO eine prozessuale Feststellungsklage ist. Kann der Gläubiger die Urkunden leicht beschaffen oder hat er gegen die Weigerung des Rechtspflegers nicht die sofortige Beschwerde eingelegt, fehlt es. Ob ein Antrag beim Rechtspfleger auch bei Aussichtslosigkeit gestellt werden muss, ist umstritten.[8]
Begründetheit
[Bearbeiten]Die Klage ist begründet, wenn die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der Klauselerteilung vorliegen. Im Einzelnen:
Allgemeine Voraussetzungen
[Bearbeiten]- Existenz eines formell wirksamen Titels[9] mit vollstreckungsfähigem Inhalt.[10]
- Antrag an den Rechtspfleger
Besondere Voraussetzungen
[Bearbeiten]Materiell-rechtliche Einwendungen
[Bearbeiten]Geprüft werden auch materielle Einwendungen des Beklagten, die sonst mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden könnten. § 767 Abs. 2 gilt entsprechend.[11] Damit können innerhalb des spezifisch zwangsvollstreckungsrechtlichen § 731 ZPO materiell-rechtliche Probleme in der Klausur abgefragt werden.
Behandlung im Urteil
[Bearbeiten]Es handelt sich um ein gewöhnliches Urteil. Die Kostenentscheidung folgt den §§ 91 ff. ZPO. Das Urteil mus für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, um zu verhindern, dass sich der Rechtspfleger weigert, vor Eintritt der Rechtskraft die Klausel zu erteilen.[12] Um den Schuldner zu schützen, richtet sich die Sicherheitsleistung nach dem durch Erteilung der Klausel jetzt vollstreckbaren Anspruch. Dementsprechend ist der Streitwert auch der volle Wert des mit dem Titel nun vollstreckbaren Anspruchs.[13]
Klauselgegenklage, § 768 ZPO
[Bearbeiten]Mit der Klauselgegenklage nach § 768 ZPO kann der Schuldner sich gegen eine erteilte qualifizierte Vollstreckungsklausel wehren, indem er sich darauf beruft, dass die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen.
Antrag und Tenor lauten
- "Die vom ... (Gericht bzw. Notar) am (Datum) erteilte vollstreckbare Ausfertigung zum (genaue Bezeichnung des Titels) und die Zwangsvollstreckung aus ihr werden für unzulässig erklärt".[14]
Zulässigkeit
[Bearbeiten]- Zuständigkeit: Ausschließlich (§ 802) zuständig ist das Prozessgericht erster Instanz
- Statthaftigkeit:
- Rechtsschutzinteresse: Anders als bei der Klage nach § 731 ZPO handelt es sich nicht um eine prozessuale Feststellungs-, sondern Gestaltungsklage, die Prüfung des Feststellungsinteresses entfällt damit. Das Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, sobald die Klausel erteilt ist und die Zwangsvollstreckung noch nicht insgesamt beendet ist.[15]
Gem. § 768 aE ZPO hat der Schuldner die Wahl zwischen der Klauselgegenklage und der Erinnerung nach § 732 ZPO.
Begründetheit
[Bearbeiten]Die Klage ist begründet, wenn die materiellen Voraussetzungen der Erteilung der qualifizierten Klausel nach § 726 bzw. § 727 ZPO zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nicht vorliegen.[16]
Materiellrechtliche Einwendungen
[Bearbeiten]Anders als bei § 731 ZPO können keine materiellrechtlichen Einwendungen geltend gemacht werden.[17] Die Klauselgegenklage kann aber in objektiver Klagenhäufung nach § 260 ZPO zusammen mit einer Vollstreckungsgegenklage erhoben werden.
Behandlung im Urteil
[Bearbeiten]Es handelt sich um ein gewöhnliches Urteil. Die Kostenentscheidung folgt den §§ 91 ff. ZPO. Das Urteil muss wegen § 775 Nr. 1 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Die Sicherheitsleistung bemisst sich nach dem Wert des aus dem Titel nicht mehr vollstreckbaren Anspruchs, da dem Beklagten in dieser Höhe das Risiko aufgebürdet wird, seine Forderung nach Aufhebung der Entscheidung in der zweiten Instanz nicht mehr realisieren zu können. Der Streitwert hingegen entspricht dem Interesse des Klägers, die Zwangsvollstreckung zu unterbinden.[18]
Erinnerung gegen die Erteilung der Klausel, § 732 ZPO
[Bearbeiten]Mit der Klauselerinnerung kann der Vollstreckungsschuldner rügen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Klausel nicht vorlagen. In Abgrenzung zur Klauselgegenklage nach § 768 ZPO greift sie auch bei einfachen Klauseln nach § 724 ZPO. Zudem können mit der Klauselerinnerung die bei § 768 ausgeschlossenen fehlenden formellen Voraussetzungen der Klauselerteilung (Urkundennachweis, nicht vollstreckungsgfähiger Titel) gerügt werden.[19]
Antrag und Tenor lauten
- "Die vom (Gericht) am (Datum) gegen den Erinnerungsführer erteilte vollstreckbare Ausfertigung zum dem (genaue Bezeichnung des Titels) und die Zwangsvollstreckung aus ihr sind unzulässig."[20]
Behandlung im Beschluss
[Bearbeiten]Die Parteien sind als "Erinnerungsführer" und "Erinnerungsgegner" zu bezeichnen. Das Gericht muss eine Kostenentscheidung nach §§ 91 ff. ZPO treffen. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist wegen § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unnötig, da Rechtsbehelf die Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist.[21]
Fußnoten
[Bearbeiten]- ↑ Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 724 Rn. 14a
- ↑ Beachte die Ausnahme in § 726 Abs. 2 ZPO für Zug-um-Zug-Leistungen. In diesem Fall ist der Nachweis erst gegenüber dem Gerichtsvollzieher bzw. dem Vollstreckungsgericht zu führen, § 756 bzw. § 765 ZPO.
- ↑ Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 726 Rn. 6
- ↑ zu weiteren Beispielen der analogen Anwendung siehe Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 727 Rn. 3a
- ↑ Musielak-Lackmann 10. Aufl. 2013 § 731 Rn. 8; leicht abweichend formuliert bei Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 731 Rn. 3
- ↑ Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 731 Rn. 4, a.A.: Musielak-Lackmann 10. Aufl. 2013 § 731 Rn. 3 mit Verweis auf den Wortlaut
- ↑ Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 731 Rn. 6
- ↑ dafür: Rechtspfleger kann Urkundennachweis wegen Offenkundigkeit oder Zugeständnis des Vollstreckungsschuldners für entbehrlich halten, Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 731 Rn. 6; dagegen: unökonomisch, Musielak-Lackmann 10. Aufl. 2013 § 731 Rn. 5
- ↑ Das Urteil muss "äußerlich wirksam" sein, also § 313 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 entsprechen, unterschrieben (§ 315) und verkündet (§ 311 Abs. 2) sein; Musielak-Lackmann 10. Aufl. 2013 § 724 Rn. 6
- ↑ Musielak-Lackmann 10. Aufl. 2013 § 724 Rn. 7
- ↑ Musielak-Lackmann 10. Aufl. 2013 § 731 Rn. 7
- ↑ Musielak-Lackmann 10. Aufl. 2013 § 731 Rn. 8
- ↑ Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 731 Rn. 8
- ↑ Musielak-Lackmann, 10. Aufl. 2013 § 768 Rn. 9
- ↑ Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 768 Rn. 4
- ↑ Musielak-Lackmann, 10. Aufl. 2013 § 768 Rn. 7
- ↑ Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 768 Rn. 2
- ↑ OLG Köln MDR 1980, 852: nur ausnahmsweise bis zur vollen Höhe des Anspruchs
- ↑ Musielak-Lackmann 10. Aufl. 2013 § 732 Rn. 4
- ↑ Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 732 Rn. 2
- ↑ Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 732 Rn. 10