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Zivilprozessrecht im 2. Staatsexamen: Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO

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Mit der Vollstreckungserinnerung stellt die ZPO einen Rechtsbehelf gegen das Vorgehen eines Vollstreckungsorgans zur Verfügung. So treffen z.B. den Gerichtsvollzieher zahlreiche Pflichten bei der Pfändung (Wahrung der funktionellen Zuständigkeit, Prüfung des Gewahrsams, Achtung von Pfändungsverboten usw.).[1] Verstößt ein Vollstreckungsorgan gegen solche Pflichten, können sowohl Schuldner als auch Gläubiger nach § 766 ZPO hiergegen vorgehen.

Verfahren

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Durch die Erinnerung wird das Handeln der Vollstreckungsorgane in der selben Instanz geprüft. Nach h.M. gilt der Beibringungsgrundsatz. [2] Die Parteien werden als Erinnerungsführer und Erinnerungsgegner bezeichnet. Das Gericht entscheidet durch Beschluss, auch wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, § 764 Abs. 3 ZPO. Es besteht kein Anwaltszwang, § 569 Abs. 3, § 78 Abs. 3 ZPO. Vorsicht bei der Begrifflichkeit: Wegen des fehlenden Devolutiveffekts ist die Vollstreckungserinnerung kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf.

Trotz Elementen eines verwaltungsprozessualen Verfahrens ist Erinnerungsgegner nicht das Vollstreckungsorgan, sondern der Vollstreckungsgläubiger bzw. -schuldner. Die Partei, die Erinnerung eingelegt hat wird als Erinnerungsführer bezeichnet.

Zulässigkeit

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In der Klausur immer anzusprechen sind Statthaftigkeit, Erinnerungsbefugnis, Zuständigkeit und Rechtsschutzbedürfnis.[3]

Statthaftigkeit der Vollstreckungserinnerung

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Die Erinnerung ist gem. § 766 Abs. 1 ZPO statthaft, wenn die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betroffen ist. Ziel ist damit Abhilfe bei Verstößen gegen formelles Recht. Das grenzt sie von der Vollstreckungsabwehrklage (bei materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch) und der Drittwiderspruchsklage (bei die Veräußerung hindernden materiellen Rechten) ab. Weder das Bestehen des titulierten Anspruchs noch etwaiges Dritteigentum sind vom Gerichtsvollzieher zu prüfen.[4]

Eine Vollstreckungsmaßnahme liegt unproblematisch vor, soweit es um ein Verhalten des Gerichtsvollziehers geht. Wird demgegenüber eine Handlung oder Unterlassung eines Richters oder Rechtspflegers beanstandet, muss geprüft werden, ob es sich dabei um eine Vollstreckungsmaßnahme oder eine Entscheidung handelt. Wenn eine Entscheidung vorliegt, ist nicht die Erinnerung sondern die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO bzw. § 11 Abs. 1 RPflG statthaft. Eine Entscheidung liegt vor, wenn ein Beschluss nach tatsächlicher und rechtlicher Würdigung des Parteivorbringens ergangen ist. Das ist immer dann der Fall, wenn beide Parteien gehört wurden und ihr Vorbringen bei der Entscheidung berücksichtigt wurde.[5]

In der Klausur ist die Erinnerung nach § 766 ZPO abzugegrenzen von den anderen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen nach §§ 732, 767, 768 und 771Vorlage:§/Wartung/buzer ZPO.

Erinnerungsbefugnis

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Der Erinnerungsführer muss durch die Vollstreckungsmaßnahme tatsächlich beschwert, also seinem Vorbringen nach möglicherweise in eigenen Rechten verletzt sein. Der Gläubiger ist immer beschwert, wenn das Vollstreckungsorgan seinen Antrag nicht ausführt, oder die Vollstreckung nicht antragsgemäß oder nur verzögert durchführt.[6] Der Schuldner ist durch jede Zwangsvollstreckungsmaßnahme beschwert, die gegen ihn gerichtet ist (vgl. die Adressatentheorie im Verwaltungsprozessrecht). Die Erinnerungsbefugnis fehlt ihm aber, wenn und insoweit er sich auf rein drittschützende Normen beruft (z.B. evidentes Dritteigentum).

Auch Dritte sind erinnerungsbefugt, wenn sie sich auf Verfahrensvorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts berufen, die zumindest auch Drittschutz bezwecken. Dazu zählen insbesondere § 809, der (nur) dem Schutz des Gewahrsamsinhabers dient, § 811 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 3, 5, 12 und § 812, die auch dem Schutz der Familienangehörigen des Schuldners dienen und die Pflicht des Gerichtsvollziehers zur Prüfung evidenten Dritteigentums. Der Drittschuldner einer gepfändeten Forderung ist ebenfalls und wegen aller Vollstreckungsvoraussetzungen erinnerungsbefugt, weil ihn die Pfändung nach § 840 ZPO mit zusätzlichen Pflichten belastet.[7]

Der Gerichtsvollzieher selbst kann die Durchführung rechtswidriger Vollstreckungsmaßnahmen einfach ablehnen, er ist daher nicht erinnerungsbefugt.

Zuständigkeit des Gerichts

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Sachlich und örtlich zuständig ist das Amtsgericht in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattgefunden hat (§ 766 Abs. 1, § 764 Abs. 1 ZPO. Die Zuständigkeit ist ausschließlich, § 802 ZPO, damit sind Gerichtsstandsvereinbarungen unzulässig und das Begründen eines Gerichtsstandes durch rügelose Einlassung ist nicht möglich, § 40 Abs. 2 ZPO.

Wird die Erinnerung wegen eines Verstoßes gegen das Vollstreckungsverbot in der Insolvenz des Schuldners aus § 89 Abs. 1 InsO eingelegt, ist das Insolvenzgericht zuständig, § 89 Abs. 3 InsO.

Form und Frist

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Eine Frist existiert nicht, allerdings kann Verwirkung nach dem Rechtsgedanken des § 242 BGB eintreten oder das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Die Form folgt § 569 Abs. 2 und 3 ZPO analog, womit nach § 78 Abs. 3 kein Anwaltszwang herrscht.

Rechtsschutzbedürfnis

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Das Rechtsschutzbedürfnis besteht, sobald die Zwangsvollstreckung begonnen hat, bis die konkret gerügte Vollstreckungsmaßnahme[8] vollständig beendet ist. Ein Rechtsschutzinteresse besteht aber auch schon vor Beginn der Zwangsvollstreckung, wenn die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevorsteht und ein Warten des Schuldners dazu führen würde, dass er seine Rechte nicht mehr effektiv wahren kann.[9]

Begründetheit

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Die Vollstreckungserinnerung ist begründet, wenn die angegriffene Zwangsvollstreckungsmaßnahme unzulässig war (Schuldnererinnerung), bzw. wenn der die Vollstreckungsmaßnahme unrechtmäßig abgelehnt oder von zulässigen Weisungen des Gläubigers abgewichen wurde (Gläubigererinnerung) bzw. bei der Vollstreckung eine den Dritten schützende Verfahrensvorschrift verletzt wurde (Dritterinnerung).

Fußnoten

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  1. ausführlich: Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, 9. Aufl. 2010, Rn 115 ff.
  2. a.A. (Amtsermittlung): MusielakZPO-Lackmann, 10. Aufl. 2013, § 766 Rn 26
  3. Kaiser, Die Zwangsvollstreckungsklausur im Assessorexamen, 3. Aufl. 2010, Rn 58
  4. Hiervon gibt es Ausnahmen, z.B. § 775 Nr. 4 und 5 ZPO bei denen der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung einstellen muss, wenn der titulierte Anspruch offensichtlich erloschen ist.
  5. MusielakZPO-Lackmann, 10. Aufl. 2013, § 766 Rn 11
  6. MusielakZPO-Lackmann, 10. Aufl. 2013, § 766 Rn 18
  7. Musielak-Lackmann 10. Aufl. 2013, § 766 Rn. 19
  8. MüKoZPO-Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl. 2012, § 766 Rn. 48 mwN; missverständlich daher Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, 9. Aufl. 2010, Rn 202 ff. "bis die Vollstreckung vollständig beendet ist"
  9. MusielakZPO-Lackmann, 10. Aufl. 2013, § 766 Rn 17