Beweisarchiv: Arithmetik
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Anzahl und Ordnung reeller Lösung einer kubischen Gleichung
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Die Cardanischen Formeln lösen eine allgemeine kubische Gleichungen vollständig. Herleitung und Darstellung dieser Formeln erfordert die Verwendung komplexer Zahlen. Algebraisch begründete Aussagen über Anzahl und Ordnung der reellen Lösungen einer allgemeinen kubischen Gleichung sind jedoch auch ohne Verwendung komplexer Zahlen möglich. Hier wird ein solcher Zugang zu diesen Aussagen vorgestellt. Die bei Cardano definierte, recht einfach im Gedächtnis zu behaltende Diskriminante der kubischen Gleichung erweist sich interessanterweise auch hier als zur Fallunterscheidung geeignet.
Im folgenden Text verwendet werden Mittel der Kurvendiskussion, der Zwischenwertsatz, die Verwendung von Ableitungen als Monotoniekriterium, der Zusammenhang zwischen Ordnung einer Nullstelle und Funktionswert der Ableitungen, Eigenschaften einer ungeraden Funktion. Gemäß der Aufgabenstellung bezeichnet "Nullstelle" bzw. „Lösung“ ausschließlich eine reelle (nicht echt komplexe) Nullstelle bzw. Lösung. Der im Text eingeführte, sonst nicht allgemein übliche Begriff „Zwillingsfunktion“ vereinfacht die Fallunterscheidung deutlich.
A. Aus der Herleitung der Cardanischen Formeln übernommen wird die Umformung der allgemeinen kubischen Gleichung

zur reduzierten Form
;
die Lösungen der reduzierten Gleichung sind genau die Nullstellen der ganzrationalen Funktion
.
Wie die angegebenen Äquivalenzumformungen zeigen, lässt sich jede Nullstelle von
in eine Lösung von
überführen und umgekehrt.
B. (1)
hat höchstens drei Nullstellen (wie sich etwa mit Zerlegung in Linearfaktoren begründen lässt).
(2) Hat
drei verschiedenen Nullstellen, so ist mit (1) jede derselben einfach.
(3) Ist von zwei verschiedenen Nullstellen von
eine mehrfach, so ist die mehrfache (mindestens, mit (1) höchstens) doppelt, die andere einfach.
(4) Alle
haben (mindestens) eine Nullstelle
, denn...
...eine Untersuchung des Verhaltens im Unendlichen ergibt, dass
für ein hinreichend kleines
, aber
für ein hinreichend großes
;
mit Zwischenwertsatz hat
eine Nullstelle in
.
(5) Die ersten beiden Ableitungen von
sind:


(6) Der Graph von
ist eine nach oben geöffnete, zur
-Achse symmetrische Parabel (zweiter Ordnung) mit dem Scheitel
.
(7) Die Ableitung
habe die Nullstelle
. Das Intervall
sei eine echte Obermenge von
. Sei (überall)
im (nicht abgeschlossenen) Intervall {
} bzw. {
}.
Dann ist
streng monoton im (abgeschlossenen) Intervall {
} bzw. {
}, denn...
… das Teilintervall
des abgeschlossenen Intervalls {
} bzw. {
} ist kein echtes Intervall im Sinne des hier verwendeten Monotoniekriteriums.
(8)
wird in diesem Text als Zwillingsfunktion von
bezeichnet.
hat genau dann die Nullstelle
, wenn
die Nullstelle
hat, denn...
...in der Zerlegung
ist die Summandenfunktion
ungerade. Also ist

Die Nullstelle
von
ist genau dann einfach bzw. mehrfach, wenn die Nullstelle
von
einfach bzw. mehrfach ist, denn...
...mit (5) hängt
nicht von
ab, sodass
(anschaulich mit (6)).
(9) Der Graph von
ist punktsymmetrisch zu
, denn...
...der Graph der ungeraden Funktion
ist punktsymmetrisch zum Koordinatenursprung; mit der Zerlegung in (8) geht für vorgegebenes
der Graph von
aus dem Graphen von
durch Parallelverschiebung in
-Richtung um
hervor.
Fall 1: p
0
(10) Für
zeigt
mit (7) auch für
, dass
in ganz
streng monoton wächst, keinen Funktionswert an zwei verschiedenen Stellen annimmt, insbesondere keine von
verschiedene Nullstelle hat.
(11) Die Nullstelle
ist genau dann mehrfach, wenn außer
auch
. Für
folgt genau dann aus
(mit (6) auch anschaulich)
sowie
; aus
folgt
. In Fall 1 ist daher
die einzige Funktion
mit einer mehrfachen Nullstelle. Diese ist (wegen
mindestens, wegen (1) höchstens) dreifach.
Fall 2: p < 0
(12) Für
hat
die Nullstellen
.
ist mit
ein lokales Maximum,
mit
ein lokales Minimum von
.
(9) erleichtert die Veranschaulichung der von
abhängigen Unterfälle von Fall 2 für ein beliebiges, aber festes
.
(Unterfall 2.1) Die Summandenfunktion
aus (8) hat drei einfache Nullstellen, denn...
...
ist eine Nullstelle, da
eine ungerade Funktion ist. Weiter hat
ein Minimum mit dem Funktionswert
,
aber für ein hinreichend großes
ist
; also hat
mit Zwischenwertsatz eine Nullstelle
. Da
eine ungerade Funktion ist, hat sie eine weitere Nullstelle
. Die Nullstellen
,
,
sind gemäß ihrer Lage zu den angegebenen Intervallen verschieden, mit (2) einfach.
(13) Der Funktionswert des Maximums von
ist
Für die folgenden Unterfälle 2.2, 2.3 und 2.4 wird q > 0 zusätzlich vorausgesetzt. Dann hat
genau eine einfache Nullstelle
, denn...
...
zeigt mit (7), dass
im Intervall
überall streng monoton wächst und im Intervall
überall streng monoton fällt. Da
für hinreichend kleines
, aber
, hat
im Intervall
(mit Zwischenwertsatz mindestes und wegen strenger Monotonie höchstens) eine Nullstelle
. Wegen
ist
einfach.
Da
im Intervall
überall streng monoton fällt, ist dort
der kleinste Funktionswert, weswegen
in diesem Intervall keine Nullstelle hat.
Für die Unterfälle 2.2, 2.3 und 2.4 bleibt
noch für
z > 0 auf Nullstellen zu untersuchen.
(Unterfall 2.2) Für
hat
drei einfache Nullstellen, denn...
...
, aber
; also hat
mit Zwischenwertsatz eine Nullstelle im Intervall
. Wegen
, aber
für hinreichend großes
hat
mit Zwischenwertsatz auch eine Nullstelle im Intervall
). Mit (2) sind die insgesamt drei verschiedenen Nullstellen der Funktion einfach.
Mit (8) hat jede Zwillingsfunktion einer Funktion
des Unterfalls 2.2 ebenfalls drei einfache Nullstellen.
(Unterfall 2.3) Für
hat
eine einfache und eine doppelte Nullstelle, denn...
...die gemeinsame Nullstelle
von
und
ist eine mehrfache Nullstellen von
. Mit (3) ist
die doppelte der insgesamt zwei verschiedenen Nullstellen von
.
Mit (8) und (3) hat jede Zwillingsfunktion einer Funktion
des Unterfalls 2.3 ebenfalls eine einfache und eine doppelte Nullstelle.
(Unterfall 2.4) Für
hat
genau eine einfache Nullstelle, denn...
...
zeigt mit (7), dass
im Intervall
überall streng monoton fällt und im Intervall
überall streng monoton wächst.
Daher ist
der kleinste Funktionswert
im Intervall
, weswegen
in diesem Intervall keine Nullstelle hat.
Mit (8) hat jede Zwillingsfunktion einer Funktion
des Unterfalls 2.4 ebenfalls genau eine einfache Nullstelle.
C. Die Bedingungen der Fallunterscheidung für die Parameter
lassen sich übersichtlicher darstellen.
Für Unterfall 2.2 bzw. 2.3 ist:


Da beide Seiten der Gleichung positiv sind, bleibt das Ungleichheitszeichen bei Quadrierung erhalten.

heißt Diskriminante der reduzierten kubischen Gleichung.
Für Unterfall 2.1 ist wegen
ebenfalls
.
Für Unterfall 2.4 ist:




Für Fall 1 ist wegen
genau dann
, wenn
. Für alle anderen
in Fall 1 ist
.
D. Aus den (Un)gleichungen für
in C. folgt direkt die Anzahl der Nullstellen von
sowie deren jeweilige Ordnung, denn...
(14) ...für die Menge
aller Funktionen
lassen sich vier paarweise disjunkte Teilmengen
,
so definieren, dass
diejenigen
mit genau einer einfachen Nullstelle,
diejenigen mit drei einfachen Nullstellen,
diejenigen mit einer einfachen und einer doppelten Nullstelle und
diejenigen mit genau einer dreifachen Nullstelle
enthält.
(15) Die Ergebnisse von C. ergeben für die Funktion(en) je einer Menge
eine einfache Bedingung
so, dass die
paarweise unvereinbar sind.
enthält alle Funktionen
des Falls 1,
und des Unterfalls 2.4. Für diese Funktionen ist
. (
)
enthält alle Funktionen
des Unterfalls 2.1 und des Unterfalls 2.2. Für diese Funktionen ist
. (
).
enthält alle Funktionen
des Unterfalls 2.3. Für diese Funktionen ist
,
. (
)
enthält ausschließlich die Funktion
des Falls 1. Für diese Funktion ist
,
. (
)
Wenn eine Menge
eine Funktion
der Fälle 2.2, 2.3 und 2.4 enthält, dann auch die zugehörige Zwillingsfunktion
. Für eine solche Zwillingsfunktion
gilt die gleiche Bedingung
wie für
, da der Wert von
nicht vom Vorzeichen von
abhängt.
Damit ist jede Funktion
Element genau einer Menge
.
(16) Sei eine Funktion
vorgegeben. Dann erfüllen deren Parameter
genau eine Bedingung
. Von allen
erfüllen genau die Elemente von
die Bedingung
. Also ist
, womit die Anzahl der Nullstellen von
und deren jeweilige Ordnung gegeben sind:
- Ist
, so hat
genau eine einfache Nullstelle.
- Ist
, so hat
drei einfache Nullstellen.
- Ist
und
, so hat
eine einfache und eine doppelte Nullstelle.
- Ist
und
, so hat
genau eine dreifache Nullstelle.
Dies ist bezüglich reeller Nullstellen der auch bei Cardano angegebene Zusammenhang.