MathGymOS/ Analytische Geometrie/ Vektoren/ Definition
Einführung
[Bearbeiten]Ganz allgemein formuliert ist ein Vektor (im folgenden immer durch einen kleinen Buchstaben oder durch zwei Großbuchstaben mit einem darüber liegenden Pfeil gekennzeichnet, s.u.) ein Element eines Vektorraumes. Die Eigenschaften eines Vektorraumes, wie sie für Interessierte hier beschrieben sind, werden von den unterschiedlichsten mathematischen Objekten erfüllt. Drei sehr wesentlich Eigenschaften der für uns interessanten reellen Vektorräume sind dabei,
- dass es eine Multiplikation einer reellen Zahl mit einem Vektor, also z.B. gibt,
- dass es eine Addition von Vektoren gibt und
- dass es eine Menge von Vektoren gibt z.B. eine sogenannte Basis, bezüglich derer sich alle anderen Vektoren in eindeutiger Weise durch Addition von Vielfachen der Basisvektoren darstellen lassen, wie z.B. .
Die Faktoren, mit denen die Basisvektoren multipliziert werden müssen nennt man die Koordinaten des Vektors oder auch seine Komponenten. Diese Koordinaten werden meistens als vertikales Tupel in der Form aufgeschrieben.
Vektoren in der Geometrie
[Bearbeiten]In der Geometrie werden Vektoren als Verschiebungen von Punkten in einem Koordinatensystem interpretiert. Wird beispielsweise der Punkt in der Abbildung in den Punkt verschoben, also 3 Einheiten in Richtung der 1. Koordinaten-Achse und 5 Einheiten in Richtung der 2. Koordinatenachse-Achse, dann wird diese Verschiebung durch den Vektor beschrieben.
Wie in der Abbildung wird ein Vektor häufig durch einen Pfeil symbolisch dargestellt. Dieselbe Verschiebung, die oben den Punkt in den Punkt verschiebt, verschiebt auch den Punkt in den Punkt . Der beiden Pfeile in der Abbildung gehören also zur selben Verschiebung und somit zum selben Vektor. Ein Vektor ist also nicht ein einzelner Pfeil, sondern es gilt:
- In der Geometrie ist ein Vektor eine Klasse von Pfeilen gleicher Länge, gleicher Richtung und gleicher Orientierung (Seite auf der die Pfeilspitze sitzt). In einem Koordinatensystem beschreibt jeder Pfeil dieser Klasse dieselbe Verschiebung von Punkten. Ein einzelner Pfeil ist lediglich ein Repräsentant des Vektors.
- Bezogen auf ein Koordinatensystem lassen sich jedem Vektor Koordinaten (Komponenten) zuordnen, die als vertikales Tupel
- (in der Ebene ) bzw. (im Raum )
- aufgeschrieben werden. Die einzelnen Einträge in diesem Tupel beschreiben dabei die Anteile der Verschiebung in Richtung der Koordinatenachsen.
- Der Vektor, der mit bis auf die Orientierung übereinstimmt, wird Gegenvektor zu genannt und mit bezeichnet. Es gilt:
- (in der Ebene ) bzw. (im Raum )
- Jedem Punkt P in einem Koordinatensystem lässt sich in eindeutiger Weise der Vektor zuordnen, der die Verschiebung des Koordinatenursprungs O in diesen Punkt beschreibt. Dieser Vektor wird als Ortsvektor des Punktes P bezeichnet.
Bezeichnung
In diesem Buch werden alle Variablen, die für einen Vektor stehen, durch einen vertikalen Pfeil über dem Variablennamen gekennzeichnet. Die Variablennamen sind in der Regel kleine lateinische Buchstaben, z.B. . Soll besonders gekennzeichnet werden, dass ein Vektor die Verschiebung eines Punktes in einen zweiten Punkt beschreibt, z.B. die Verschiebung des Punktes P in den Punkt Q, so kann der Variablenname auch aus den Bezeichnungen der beiden Punkte bestehen; im Beispiel .
In der Literatur sind auch andere Schreibweisen zur Bezeichnung von Vektoren anzutreffen, wie der Fettdruck bzw. (vor allem Bücher zu fortgeschrittenen Themen der Mathematik und Wikipedia) oder die Unterstreichung bzw. (vor allem angelsächsische Literatur und Bücher zur theoretischen Physik). In älterer Literatur werden gelegentlich auch Frakturbuchstaben verwendet bzw. . |
Beispiele
- Das Dreieck mit den Eckpunkten wird durch den Vektor auf das Dreieck verschoben. Bestimme die Eckpunkte A', B' und C' des verschobenen Dreiecks.
- Der Vektor beschreibt eine Verschiebung um 6 Einheiten in Richtung der 1. Koordinatenachse, um 10 Einheiten in Richtung der 2. Koordinatenachse und um -12 Einheiten in Richtung der 3. Koordinatenachse, also um 12 Einheiten entgegen der 3. Koordinatenachse. Damit ergibt sich der Punkt , also . Auf gleiche Weise erhält man und .
- Beschreibe jeweils die Verschiebungen, die in obigem Dreieck
- den Punkt A in den Punkt B verschiebt,
- den Punkt B in den Punkt C verschiebt und die Verschiebung, die
- den Punkt C in den Punkt A verschiebt.
- Die Verschiebung von A in B muss in Richtung der 1. Koordinatenachse um 2 Einheiten geschehen, denn . In Richtung der zweiten Koordinatenachse muss entsprechend um 8 Einheiten und in Richtung der 3. Koordinatenachse um -4 Einheiten verschoben werden. Also ist .
- Analog ergeben sich und .
- Der Gegenvektor zu ist . Er beschreibt die Verschiebung, die B in A überführt.
- Welcher Ortsvektor gehört zum Punkt ?
- Der Vektor, der den Koordinatenursprung in den Punkt P verschiebt ist .
- Auch wenn dieser Vektor dieselben Koordinaten hat, wie der Punkt P selbst, beschreibt er nicht dasselbe mathematische Objekt. Wie bereits im Einführungstext angesprochen lassen sich Vektoren mit reellen Zahlen multiplizieren und mit anderen Vektoren addieren. Wie in den folgenden Abschnitten gezeigt wird, lassen sich diese Operationen sinnvoll geometrisch interpretieren. Eine Multiplikation eines Punktes mit einer Zahl oder die Addition zweier Punkte macht dagegen keinen Sinn. Daher ist es wichtig zwischen einem Punkt und dem zugehörigen Ortsvektor zu unterscheiden, auch wenn sie dieselben Koordinaten besitzen.
Anwendung der Vektorrechnung
[Bearbeiten]In Physik und Technik stehen vektorielle Größen die neben einem Betrag, auch eine Richtung und eine Orientierung besitzen (z.B. Geschwindigkeit, Impuls, Kraft, Moment, Beschleunigung) sogenannten skalaren Größen gegenüber, die zwar einen Betrag, aber keine Richtung und keine Orientierung haben (z.B. Abstand, Energie, Zeit, Temperatur, Ladung, Leistung, Arbeit, Masse). Der Betrag einer vektoriellen Größe entspricht dann der oben aufgeführten Länge der Pfeile die in der Pfeilklasse des Vektors zusammengefasst werden. Deshalb wird statt des Ausdrucks "Länge eines Vektors" der Ausdruck "Betrag eines Vektors" verwendet.
In vielen Bereichen der Wirtschaftsmathematik wird jedes Tupel als Vektor bezeichnet. Die geometrische Interpretation als Verschiebung macht hier jedoch häufig keinen Sinn. Vielmehr werden Vektoren hier als Spezialfall der Matrizen, nämlich als Matrizen mit nur einer Spalte betrachtet.
Betrag eines Vektors
[Bearbeiten]Der Betrag eines Vektors soll der Länge der Pfeile entsprechen, die als gemeinsame Pfeilklasse den Vektor bilden. In einem kartesischen Koordinatensystem (d.h. im Wesentlichen bei rechtwinkligen Koordinatenachsen) gilt nach dem Satz des Pythagoras:
Der Betrag eines Vektors (im ), (im ) bzw. (im ) ist
- , bzw.
Mit der Einführung des Skalarproduktes lässt sich ein allgemeinerer Begriff der Norm eines Vektors einführen, der aber im Falle des sogenannten kanonischen Skalarproduktes gerade dem oben beschriebenen Betrag eines Vektors entspricht |
Beispiele
- Sind zwei Punkte A(1;4) und B(5;1) gegeben, so gilt für den Vektor , der beide Punkte verbindet, . Für den Betrag des Vektors, also anschaulich die Länge des Pfeils, gilt somit
- Der Abstand eines Punktes vom Koordinatenursprung lässt sich mit Hilfe des Ortsvektors bestimmen. Die Länge des Ortsvektors ist beispielsweise
- Ein Flugzeug sinkt mit einer Geschwindigkeit von 10 m/s. Gleichzeitig bewegt es sich anteilsmäßig mit einer Geschwindigkeit von 100 m/s in Richtung Norden und 225 m/s in Richtung Osten.
- Legt man in einem Koordinatensystem die Nord-Süd-Richtung als 1. Koordinatenachse, die West-Ost-Richtung als 2. Koordinatenachse und die Höhe als 3. Koordinatenachse fest, dann beschreibt der Vektor die Geschwindigkeit des Flugzeuges. Der Betrag der Geschwindigkeit ist dann
- Zur Herstellung einer Mengeneinheit eines Produktes werden 5 Einheiten von Grundstoff A, 12 Einheiten von Grundstoff B, 3 Einheiten von Grundstoff C und 2 Einheiten von Grundstoff D benötigt.
- Dann stellt der Vektor den Materialbedarf übersichtlich dar.