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Astronomische Berechnungen für Amateure/ Distanzen/ Sonnensystem

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Im Sonnensystem werden die Distanzen zwar gelegentlich noch in Kilometern angegeben, doch weitaus häufiger wird mit der Astronomischen Einheit AE gerechnet. Dies aus zwei Gründen:

  • Die Zahlenwerte sind „handlicher“. So wie man im Alltag grosse Strecken auch nicht in mm angibt, weil die Zahlenwerte gross und damit unvorstellbar werden, so zieht man es vor, die Distanzen im Sonnensystem in AE anzugeben.

Beispiel:

Die grosse Bahnhalbachse der Jupiterbahn beträgt 5.20 AE oder 778 Millionen km (gerundete Werte). Mit der Angabe 5.20 AE weiss man, dass diese Bahn gut 5-mal grösser ist als die Erdbahn – man hat eine Ahnung von den relativen Grössenordnungen. Die Angabe 778 Millionen km ist eine rein rechnerische Grösse, wir können uns darunter nichts mehr vorstellen.


  • Bis gegen 1900 war es ausserordentlich schwierig, die exakten Abmessungen der Bahnen im Sonnensystem (und damit die relevanten Distanzen) mit einer genügenden Genauigkeit zu bestimmen.


Um dieses Argument zu verstehen, überlege man: bis weit ins 20. Jahrhundert war die Triangulation – also eigentlich die Messung der Parallaxe eines Himmelskörpers – die einzige Möglichkeit, im Sonnensystem Distanzen messen zu können. Die Horizontalparallaxe der Sonne beträgt π = 0.00244° = 8.794". Weil aber die Sonne alle Sterne überstrahlt, lässt sich diese Verschiebung vor dem Sternenhintergrund nur über indirekte Methoden bestimmen.

Will man mit der Triangulation die Distanz Erde – Sonne auf 1 km genau bestimmen, benötigt man eine Genauigkeit der Winkelmessung von



Umgekehrt erzielt man mit einer Messgenauigkeit von z.B. 0.5" nur eine Genauigkeit von etwa 360 km. Man konzentrierte sich darum auf die Messung des Abstandes Erde – Venus, denn im 19. Jahrhundert kannte man keinen anderen Körper im Sonnenystem, der der Erde näher kam: bei einem Transit vor der Sonnenscheibe beträgt ihr Abstand zur Erde „nur“ ca. 42 Millionen km. Das ergibt eine Horizontalparallaxe von 0.0087° oder 31.3". Für die Belange der Astronomen war das zwar die beste Möglichkeit, aber man hätte sich eine noch genauere Bestimmung der AE gewünscht. Dies wurde möglich, als 1898 der Asteroid Eros entdeckt wurde, der der Erde regelmässig bis 20 Millionen km (entspricht einer Horizontalparallaxe von 0.0183° = 65.8" – also mehr als 1') nahe kommt. Später wurden weitere Asteroiden entdeckt, die der Erde noch näher kommen, teilweise bis in den erdnahen Raum (Definition gemäss vorangehendem Kapitel). Einerseits die kürzeren Distanzen, die ausgemessen werden mussten und damit zu grösseren Parallaxen führten, andererseits die scheinbare Grösse des Objektes, dessen Position vor dem Sternenhintergrund bestimmt werden musste, waren entscheidend für die Verbesserung der Genauigkeit: ein feines Lichtpünktchen eines kleinen Asteroiden kann genauer lokalisiert werden als das verhältnismässig grosse Scheibchen eines Planeten wie Venus.

In der 2 Hälfte des 20. Jahrhunderts trat an die Stelle der Triangulation zunehmend die direkte Messung der Laufzeit von Radarstrahlen, die von Venus reflektiert werden. Damit erreichte man erst jene Genauigkeit der Distanzbestimmung, die für die Raumfahrt unerlässlich ist. Der heute gültige Wert für die AE hat eine Genauigkeit von ca. 1 km.


Die Parallaxe ist bei exakten Rechnungen (z.B. genaue Ephemeriden) grundsätzlich auch für die Objekte des Sonnensystems zu berücksichtigen. Dabei wird selten die Parallaxe direkt nach den Formeln des voranstehenden Kapitels berechnet, sondern über die Sonnenparallaxe wie folgt:


Da wir es im Sonnensystem immer mit sehr kleinen Parallaxenwinkeln zu tun haben, dürfen wir von der für solche Winkel gültigen Beziehung sin π ≈ π (Winkel im Bogenmass!) Gebrauch machen. Dies führt zur Beziehung für die Parallaxe (in Bogensekunden) eines Objektes im Sonnensystem, wie sie meistens verwendet wird ( in AE):



Ein zweiter Effekt kann im Sonnensystem nicht mehr vernachlässigt werden: die Lichtzeit. Damit wird folgender Effekt bezeichnet: weil sich das Licht nicht unendlich schnell, sondern mit einer zwar sehr grossen, aber endlichen Geschwindigkeit ausbreitet, sehen wir einen Himmelskörper nie dort, wo er zum Beobachtungszeitpunkt t steht, sondern dort, wo er zum Zeitpunkt t – τ gestanden hat. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Licht ausgesendet, das den Beobachter zum Zeitpunkt t erreicht. Die Lichtzeit τ ist diejenige Zeit, die das Licht bei einer Geschwindigkeit von c = 299 792 458 m/s (knapp 300 000 km/s) benötigt, um die Strecke Δ vom Himmelskörper bis zur Erde zurück zu legen. Es gilt


Man erkennt daraus: ist Δ = 1 AE – entspricht die Entfernung also gerade etwa dem mittleren Abstand der Sonne zur Erde –, dann ist τ = 499 s bzw. 0.005776 d bzw. 8 m 19 s. So lange braucht das Licht von der Sonne zur Erde. Bei genauen Ephemeridenberechnungen von Himmelskörpern des Sonnensystems sind die Positionen für einen Zeitpunkt zu berechnen, der τ Tage vor dem Beobachtungszeitpunkt liegt. Da man τ und Δ zum voraus nicht kennt, ist diese Aufgabe nur iterativ zu lösen: zunächst berechnet man die Position zum Zeitpunkt t und gewinnt eine erste Schätzung Δ1 und damit auch τ1. Nun wiederholt man die Rechnung für den Zeitpunkt t – τ1 und prüft, ob Δ2 (der neu errechnete Abstand) sich so sehr verändert hat, dass ein wesentlich anderer Wert für τ2 resultiert. In diesem Fall muss die Rechnung nochmal für den neuen Zeitpunkt t – τ2 wiederholt werden.


Stellung von Sonne (A), Erde (E) und Jupiter (B) zueinander. Steht die Erde in den Positionen G oder L, so muss das Licht eine kürzere Strecke durchlaufen, als wenn die Erde ein F oder K steht. C Schatteneintritt, D Schattenaustritt

Abstand – und damit eigentlich die Parallaxe – und Lichtzeit sind miteinander verknüpft. Im 17. Jahrhundert war es der dänische Astronom Ole Roemer (1644 – 1710), der dies feststellte, und der diesen Zusammenhang nutzte, um zum ersten Mal den Wert der Lichtgeschwindigkeit zu bestimmen . Der Sachverhalt:

Im 17. Jahrhundert verfügte man noch nicht über genügend genau gehende Uhren, um über weite Strecken beispielsweise auf hoher See eine genaue Bestimmung der eigenen Position, vor allem der geografischen Länge, zu ermöglichen. Doch – so glaubte man – die Natur stellt eine Zeitmarke zur Verfügung, an der man immer wieder die eigenen ungenau gehenden Uhren eichen kann: den Jupitermond Io, der den Planeten in nicht ganz 2 Tagen einmal umrundet. Dabei tritt er regelmässig in den Planetenschatten. Der Schatteneintritt bzw. der Schattenaustritt kann recht genau beobachtet werden. Bereits Galilei hatte vorgeschlagen, diese Ereignisse als Marken zur Eichung von Uhren zu verwenden. Doch bald stellte man systematische Abweichungen von den vorausberechneten und in Tabellen veröffentlichten Zeiten fest: mal trat das Ereignis verfrüht ein, mal verspätet. 1676 stellte Ole Roemer fest, dass die Abweichungen mit den relativen Stellungen von Erde und Jupiter zusammenhingen. Er interpretierte sie darum als Lichtzeit. Damit gelang es zum ersten Mal, die Lichtgeschwindigkeit zu messen. Bis zu diesem Zeitpunkt war nicht klar, ob das Licht eine endliche oder eine unendliche Ausbreitungsgeschwindigkeit habe. Erst 1834 wurde zum ersten Mal die Lichtgeschwindigkeit auf der Erde gemessen, ab ca. 1850 waren die Messmethoden so weit verfeinert, dass sie (aus heutiger Sicht) gute Resultate lieferten.



Übungen:

  • Berechnen Sie die Horizontalparallaxe der Planeten Merkur bis Pluto für den erdnächsten bzw. erdfernsten Punkt der Bahn. Nehmen Sie zur Vereinfachung an, bei den Planetenbahnen handle es sich um Kreisbahnen mit der Sonne im Mittelpunkt.
  • Welchen scheinbaren Durchmesser hat das Venusscheibchen in der erdnächsten Stellung des Planeten? Welchen scheinbaren Durchmesser errechnen Sie für Eros? Die Daten: Venus DV = 12 100 km, ΔV = 42 Mio km; Eros: De1 = 13 km, De2 = 33 km (Eros hat eine längliche Gestalt von ca. 13 × 13 × 33 km), Δe = 20 Mio km. Runden Sie das Ergebnis!
  • Berechnen Sie die Lichtzeit für die Planeten Merkur bis Pluto jeweils in der erdnächsten und in der erdfernsten Stellung. Nehmen Sie wieder vereinfachend an, bei den Planetenbahnen handle es sich um Kreisbahnen mit der Sonne im Mittelpunkt.
  • In welcher Stellung stehen Jupiter und Erde zueinander, wenn die Verfinsterungen am meisten verfrüht sind, in welcher Stellung sind sie am meisten verspätet? Wieviel macht der Effekt gegenüber einer mittleren Zeit aus, und in welcher Stellung stehen Erde und Jupiter zu diesem Zeitpunkt? Können Schatteneintritt (Verfinsterung von Io) und Schattenaustritt beim gleichen Umlauf beobachtet werden? Nehmen Sie zur Vereinfachung für alle drei Bahnen Kreisform an: Erde rE = 1 AE; Jupiter rJ = 5.20 AE; Io rI = 422 000 km.